1670 - Der Psychonauten-Gott
überlässt du mir.«
Gerd Olsen war zufrieden. Zumindest was diesen Verbündeten anging. Aber er wusste auch Dagmar Hansen unter Kontrolle. Gegen Horst hatte sie keine Chance. Noch jetzt ärgerte er sich darüber, wie enttäuscht er letztendlich gewesen war, als er hatte feststellen müssen, dass durch sie zwei Verräter in den illustren Kreis geraten waren. Aber er vertraute dem Götzen, der ihn nicht im Stich lassen würde. Der Versammlungssaal hatte sich inzwischen gefüllt. Über zwanzig Menschen saßen auf den Stühlen und schauten gespannt nach vorn, wo sich auf einem Gestell und etwas erhöht so etwas wie ein schwarzes Tuch oder ein dunkler, straff gespannter Vorhang befand.
Das traf nicht zu.
Es war ein Spiegel. Fast zwei Meter breit und ebenso hoch. Eine glatte Fläche, in der man sich nicht sah, die allerdings einen geheimnisvollen Glanz abgab, der von innen kam und sich wie eine Patina auf der Vorderseite des Spiegels abgesetzt hatte. Der Professor trat weiter vor. Hinter ihm blieb Elmar Kogel an der Wand stehen, genau, wie man es ihm befohlen hatte.
Olsen aber trat in die Mitte. Er blieb Vor dem Spiegel stehen und nahm den leisen Beifall des Publikums lächelnd entgegen. Innerhalb des Raumes war es weder hell noch dunkel, es herrschte ein angenehmes Zwielicht, das den Augen gut tat. Jeder erkannte jeden, aber nicht so scharf konturiert wie in der Helligkeit. Der Psychotherapeut war sich seiner Macht über die Menschen sehr wohl bewusst. Nicht grundlos hatte er sich mit dem Phänomen der Hypnose beschäftigt, die er auch hin und wieder anwendete. Das hatte er in abgeschwächter Form auch an diesem Tag vor. Er sprach mit einer weichen Stimme und bedankte sich für das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde. Er wollte sich bemühen, die Menschen nicht zu enttäuschen, aber er war vor allen Dingen da, um ihnen Mut zu machen.
»Ja, Mut für das Leben, denn das ist wichtig. Das Leben ist aber nicht so einfach. Es setzt sich aus vielen Facetten zusammen und um eine von ihnen wollen wir uns hier kümmern. Eine Facette ist besonders wichtig, wie ich herausgefunden habe. Sie trägt sogar einen Namen, den Sie alle kennen, meine Freunde.« Er legte eine kurze Pause ein, um danach mit der entsprechenden Antwort herauszurücken. »Sie heißt Seele…«
Olsen ließ seine Worte verklingen und beobachtete dabei die Menschen, um ihre Reaktion zu testen.
Ja, sie waren beeindruckt. Sie schauten sich gegenseitig an, und es kam zu den Reaktionen, die sich der Professor erhofft hatte. Seine Patienten nickten sich gegenseitig zu, denn sie hatten die Botschaft verstanden, und genau das hatte er gewollt. Er übernahm wieder das Wort. »Ich sehe, ihr habt mich verstanden, ihr könnt mir folgen. Wir müssen nun in der Zeit weit zurückgehen, als es den Menschen noch möglich war, sich auf sich und das zu konzentrieren, was in ihnen steckt und was man ihnen mitgegeben hat. Eine Gruppe von Menschen hat es tatsächlich geschafft. Es ist ihnen gelungen, das hervorzuholen, was in ihnen steckte. Sie waren in der Lage zu sehen, doch nicht mit den normalen Augen sondern mit dem dritten, das noch aus uralter Zeit bestand und so etwas wie ein Speicher für das Wissen war. Ja, sie setzten auf das dritte Auge. Es ermöglichte ihnen, am Wissen der Welt teilzunehmen. Die Psychonauten kannten die Geheimnisse der Cheopspyramide. Ihre Köpfe waren frei für Gedanken, die andere Welten durchdringen konnten. Sie wussten auch von dem Allsehenden Auge, diesem Symbol der Wahrheit. Und sie haben sich noch ein Symbol zu eigen gemacht. Pegasus, das fliegende Pferd, das ihre Gedanken und Vorstellungen transportierte, bis sie andere Welten und Reiche erreicht hatten. Aber leider war die Welt nicht nur für die Psychonauten geschaffen worden. Es gab zu viel, was sie störte. Selbst in den eigenen Reihen kam es zu Zwist und Unfrieden, sodass sie sich in gegenseitigen Kämpfen aufrieben. Einige bildeten die Loge der Mystiker, ein mächtiger Clan, der alles Erhabene pervertierte, aber dabei nicht vergessen hatte, wie mächtig er sein konnte. Er berief sich auf die alten Symbole - und das dritte Auge war niemals vergessen. Es tauchte bei ihnen wieder auf. Daran hatten auch die inzwischen vergangenen Jahrtausende nichts ändern können. Man fand sich wieder zusammen und fing damit an, sich zu erinnern. Man tauchte ein in die tiefe Vergangenheit, denn das dritte Auge ermöglichte es ihnen, und so ist das Wunder geschehen. Die alte Zeit war nie vorbei, sie
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