1672 - Die Insel
eigentlich dort nicht vorkommen darf. Es ist schon mehr als ungewöhnlich. Außerdem ist die Insel weiterhin Druck von unten ausgesetzt. Sie ist dabei, in die Höhe zu steigen, und bei dieser helleren Masse handelt es sich tatsächlich um Gebein.«
Mehr sagte er nicht und wartete zunächst unsere Reaktion ab. Hätte ich mir einen Spiegel vor das Gesicht gehalten, ich hätte wirklich blöd aus der Wäsche geschaut. So aber sah ich nur Sukos Gesichtsausdruck, der kaum anders aussah.
»Gebein, Sir?«, fragte er. »Haben wir richtig gehört?«
»Haben Sie.«
»Und wieso?«
Sir James hob seine Schultern an. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich gehe davon aus, dass es sich um Gebein handelt. Knochenmasse, die unter der Insel vorhanden ist und sich in die Höhe schiebt. Das ist allerdings kein Korallenriff.«
»Klar«, sagte ich leise. »Wenn man den Faden weiter spinnt, kann man zu dem Schluss gelangen, dass es sich dabei um eine Knochenfläche handelt, die so groß wie die Insel ist.«
»Gut gefolgert.« Sir James lächelte. »Ich gehe sogar noch weiter.« Er räusperte sich.
»Ich könnte mir vorstellen, dass sich unter der Insel ein gewaltiger Totenschädel befindet, der dieses Land in die Höhe drückt. Langsam nur, aber stetig.«
Suko und ich waren zunächst mal sprachlos. Was wir da gehört hatten, klang unwahrscheinlich, aber wir dachten auch daran, dass wir Menschen waren, die tagtäglich mit dem Unwahrscheinlichen und Unglaublichen konfrontiert wurden, und diese Fotos waren kein Fake, sondern echt.
»Wer hat die Bilder geschossen?«, fragte ich.
»Ein Mann aus dem nahen Küstenort. Er heißt Rick McMillan und war mal Leuchtturmwächter. Weil der alte Leuchtturm nicht mehr in Betrieb ist, fährt er hin und wieder auf die Insel und schaut nach dem Rechten. Da ist ihm die Veränderung aufgefallen. Er hat sich an die Behörden gewandt, wo man ihn auslachte. Seine Tochter Lucy allerdings hatte die Idee, die Fotos an uns zu schicken. Ich weiß auch nicht genau, was sie auf den Gedanken gebracht hat, aber die Bilder landeten auf meinem Schreibtisch, und jetzt müssen wir sehen, was da wirklich passiert ist.«
»Und wo geschah das?«, fragte Suko.
»Vor der Küste von Wales. Die genauen Daten bekommen Sie noch. Da ich vorhin hörte, dass John gern an die Küste fahren würde, kann ich ihm den Gefallen tun. Am besten fahren Sie zu zweit und schauen sich diese Insel mal aus der Nähe an.«
Da hatten wir unseren nächsten Job. Ich wollte noch gern erfahren, was die Menschen an Land zu diesem Phänomen sagten. Dass die Insel unbewohnt war, davon ging ich aus.
»Ich kann es Ihnen nicht genau sagen, John. Ich vermute mal, dass die meisten Menschen die Insel ignorieren, aus welchen Gründen auch immer.«
»Bis auf diesen McMillan.«
»Richtig. Er ist so etwas wie eine Anlaufstelle auf dem nahen Festland. Der Ort heißt Strack. Er ist ziemlich klein und hat einen Hafen. Die Bewohner werden in der Mehrzahl Fischer sein. Nun ja, das Übliche eben.«
»Wann sollen wir los?«
Sir James schaute Suko an, als hätte dieser etwas Schlimmes gesagt, »So bald wie möglich.«
»Also heute.«
»Das ist richtig.«
»Weiß jemand Bescheid?«
Sir James nickte. »Ja. Auch wenn das Dorf am Ende der Welt liegt, gibt es dort tatsächlich Menschen, die vernetzt sind. Ich habe dieser Lucy McMillan eine Mail geschickt. Sie weiß also, dass wir etwas unternehmen werden. Die Daten, wie Sie mit der Frau Verbindung aufnehmen können, bekommen Sie.« Sir James hob die Schultern. »Dann steht einer Abreise wohl nichts mehr im Wege, denke ich.«
»Wird eine weite Strecke und…«
Sir James unterbrach mich. »Es reicht, wenn Sie morgen in Strack eintreffen. Für Sie beide sind Rick McMillan und seine Tochter wichtig. Das ist alles.«
»Und die Fotos können wir mitnehmen?«, fragte Suko.
»Sicher. Ich überlasse sie Ihnen.«
Für Sir James war der Besuch beendet. Er nickte uns noch kurz zu und verschwand. Suko und ich blieben zurück. Zwischen uns auf dem Tisch lagen die Fotos. Suko tippte auf ein Bild. »Eine Insel, die von einem Knochenberg oder was immer es auch sein mag, in die Höhe gedrückt wird. Das hatten wir auch noch nicht.«
Er grinste plötzlich breit. »Dann schauen wir uns das Gebilde erst mal aus der Nähe an. Und wenn wir schon fahren, sollten wir meinen BMW nehmen. Der braucht mal wieder frische Luft.«
»Dagegen habe ich nichts.«
Wenn das Wetter so blieb, hatte ich auch nichts gegen eine Reise an die
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