1679 - Mandragoros Geisterfrau
am Waldrand gestanden und die Geisterfrau zwischen den Bäumen gesehen hatte.
Maxine hatte gefragt, ob das keine Einbildung gewesen war. Nein, sie hatte diese Person gesehen, daran gab es nichts zu rütteln.
Wegen der frischen Luft wollte sie das Fenster nicht ganz schließen. Sie ließ es gekippt und dachte darüber nach, ob sie sich noch vor den Fernseher setzen sollte, um sich durch irgendetwas abzulenken.
Es war zwar keine perfekte Idee, doch eine bessere kam ihr nicht in den Sinn. Also schaltete sie die Glotze ein und zappte sich erst mal durch die Programme. Sie bekam kaum mit, was sie boten. Irgendwo blieb sie hängen. Es war ein Sportsender. Den ließ sie laufen und drehte dabei den Ton so leise, dass sie den Reporter kaum mehr hörte.
Was würden die nächsten Tage bringen?
Carlotta konnte nicht in die Zukunft schauen. Sie verließ sich da auf ihre Ahnungen und die sahen nicht gut aus. Da rollte etwas auf sie zu. Quentins Tod war erst der Anfang. Sie wusste nicht, wer alles zu den Investoren gehörte. Vorstellbar war, dass sich Mandragoro jeden von ihnen vornahm, um zu zeigen, wer die wirkliche Macht besaß. Möglicherweise war er diesmal nicht allein und teilte sich die Macht mit der geheimnisvollen Geisterfrau.
Hatte sie einen Namen?
Auch darüber machte sich Carlotta Gedanken und sie erhielt sogar eine Antwort.
»Ja, ich heiße Tabea!«
Jemand hatte mit einer Flüsterstimme zu ihr gesprochen!
Sie schrak zusammen wie nach einem Peitschenschlag. Ihr Mund blieb offen, sie wusste nicht, woher sie die Stimme erreicht hatte. Aber nicht von vorn, das stand fest. Hinter ihr?
Ja, das war die einzige Alternative. Als sie daran dachte, rann ein Schauer über ihre Haut. Noch traute sie sich nicht, sich umzudrehen, blieb noch sekundenlang sitzen und stand dann auf. Das Bild auf der Glotze blieb, aber es war unwichtig geworden. Dafür konzentrierte sich Carlotta auf das Fenster.
Beim ersten Blick sah sie nichts.
Auf dem zweiten schon, und da hatte sie das Gefühl, einzufrieren, denn hinter dem Fenster stand jemand.
Es war nur eine schwache Gestalt, aber trotzdem zu sehen, weil sie so bleichgrau wie Nebel war.
Aber die Umrisse waren deutlich zu erkennen - auch das Gesicht der Besucherin, die sich jetzt bewegte und plötzlich nicht mehr im Freien stand, sondern in Carlottas Zimmer…
***
Carlotta wagte nicht, etwas zu unternehmen. Sie wollte nichts provozieren und auch nicht um Hilfe rufen, was die Besucherin vielleicht stören konnte. So wartete sie ab, was diese Tabea von ihr wollte. Ihren Namen hatte sie ja preisgegeben, und Carlotta rechnete damit, dass es nicht dabei bleiben würde. Tabea schwebte durch den Raum, verfolgt von den Blicken des Vogelmädchens. Die Besucherin schaute sich alles an. Carlotta gab zu, dass schon ein seltsames Gefühl sie überkommen hatte, doch Angst spürte sie nicht.
Und so wartete sie, bis das Wesen seine Wanderung beendet hatte. Vor ihr blieb die Geisterfrau stehen. Man konnte nicht sagen, dass sich deren Blicke in die des Vogelmädchens bohrten, das war bei einer Geistererscheinung nicht möglich. Trotzdem fühlte sich Carlotta unter Kontrolle stehend und hütete sich vor einer falschen Bewegung oder vor einem falschen Wort. Außerdem fragte sie sich, wie es möglich war, dass ein Geist sprechen konnte, bis ihr einfiel, dass sie die Stimme der Besucherin in ihrem Kopf gehört hatte.
»Wer bist du?«
Carlotta zuckte zusammen, als sie die Frage gehört hatte. Dann sagte sie wie eine eingeschüchterte Schülerin: »Ich heiße Carlotta.«
»Ja, ich kenne dich.«
»Woher denn?«
»Das ist egal. Ich weiß nur, dass ich dich kenne. Dass du etwas kannst, was die anderen Menschen nicht können…«
Erneut erschrak das Vogelmädchen.
Die Besucherin sprach weiter. »Und trotzdem musst du keine Furcht haben. Ich werde dir nichts tun, denn irgendwie stehen wir auf einer Seite.«
»Wenn du das sagst.«
»Bestimmt.«
Wieder wurde Carlotta von einem Schwall kühler Luft erfasst, aber sie war anders als die kalte Luft im Winter. Sie kam ihr trockener vor, unnatürlicher. Carlotta traute sich sogar, eine Frage zu stellen, und flüsterte: »Warum bist du gekommen?«
»Man hat mich geschickt.«
Carlotta wollte nicht fragen, wer es war, sondern sagte mit leiser Stimme:
»Mandragoro…«
Die Geisterfrau schwieg. Eine Weile stand sie unbeweglich, wie gezeichnet, dann nickte sie.
Carlotta konnte es nicht fassen. »Wirklich?«
Wieder wurde die Antwort nur geflüstert. »Ja,
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