Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
168 - Das fremde Leben

168 - Das fremde Leben

Titel: 168 - Das fremde Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
Vom Netzwerk:
sie das nannten – ging Gilam'esh Seite an Seite mit seiner Dienerin Manil'bud, seinem Berater und seinem Schwarmmeister erst über den Lagerplatz und danach am Ufer der Flussmündung und des Stromes entlang. Hunderte von Leichen lagen im Wasser und zwischen den Feuerstellen. Und immer wieder Knochenreste über der Asche, Haufen von Eingeweiden der hingeschlachteten Gefangenen und ihre achtlos weggeworfene Schuppenhaut.
    Aus den Augenwinkeln sah Gilam'esh, dass Manil'bud neben ihm zitterte. Ihr sonst so farbenprächtiger Scheitelkamm war graugrün. Er tastete nach ihrer Hand und hielt sie fest. Sie lehnte sich gegen ihn, schloss die Augen und schluchzte.
    Mitten in der Flussmündung zerriss ein Tolot eine Leiche.
    Der zweite fraß sich auf dem Lagerplatz durch die toten Barbaren. Auf einer Sandbank mitten in der Mündung zuckten die Leiber zweier Lup'haydros. Dem einen klaffte eine zehn Längen breite Wunde in der Flanke, der zweite blutete aus leeren Augenhöhlen. Seeschlangen waren an Land gekrochen und über die Leichen hergefallen. Von den Hügeln her waren rötliche Reptilien gekommen. Sie glänzten schleimig und hatten harte Zähne, mit denen sie sich durch die quastigen Schuppen der Patrydree fraßen.
    Siebzehn tote Krieger aus den eigenen Reihen hatten Gilam'eshs Schwärme zu betrauern. Die meisten davon fielen unter den Schwärmen Ramyd'sams, kurze Zeit bevor die Panik unter den Barbaren losbrach. Bis auf zwei, die durch Wurfspieße starben, waren alle Gefallenen Opfer von Harpunenpfeilen geworden. Zweiunddreißig Krieger waren verletzt, sieben davon schwer. Es hatte doch mehr Harpunenschützen unter den Patrydree gegeben als angenommen. Gilam'esh verfluchte den Tag vor sechs Umläufen, als einer ihrer Rotten ein Bullentöter in die Hände gefallen war.
    Er wies die Krieger des Zweiten Schwarms an, die sterblichen Überreste der geschlachteten Gefangenen zu bestatten. Die Leichen der Feinde dagegen gebot er nicht einmal zu berühren.
    Taub und stumm vor Entsetzen fühlte sich Matthew Drax.
    Schon von Beginn des Krieges vor vier Jahren an hatte er die wachsende Gewaltbereitschaft der Ditrydree gespürt. Und im Verlauf der immer brutaler werdenden Kampfhandlungen war es dann, als würde der Hass der einen den Hass der anderen entfesseln. Es ging zu wie auf der Erde: Gewalt erzeugte größere Gewalt, Brutalität zog größere Brutalität nach sich, Erbarmungslosigkeit gebar Erbarmungslosigkeit.
    Seit wann machst du keine Gefangenen mehr?, meldete er sich müde zu Wort.
    Seit ich die Gräueltaten dieser Bestien mit eigenen Augen sehen musste, dachte Gilam'esh.
    Ich wünschte, du würdest bei der Lösung anderer Probleme genauso gründlich vorgehen.
    Gilam'esh reagierte nicht. Er schritt die Reihen der befreiten Gebärer ab. Zierliche silberschuppige Wesen. Weniger als siebzig potentielle und tatsächliche Mütter waren noch am Leben.
    Einige lagen zusammengekauert im seichten Uferwasser, die meisten hockten mit gesenkten Köpfen im Flussfarn.
    Zu jeder einzelnen beugte Gilam'esh sich herab und bewies ihr mit tröstenden Worten und Gesten sein Mitleid.
    Ursprünglich hatten die Patrydree über neunzig Mütter verschleppt. Sechs hatten sie gegessen, einundzwanzig war es gelungen, sich selbst zu töten.
    Warum reagierst du nicht? Die Maddrax-Stimme drängte.
    Doch der Kriegsmeister überhörte sie einfach.
    Gilam'esh beriet sich mit Kazar'bal und Manil'bud. Man beschloss, die Befreiten Ikairydree-Mütter mit nach Süden zu nehmen. In der nächsten noch unversehrten Ozeanstadt wollte man sie zurücklassen. Allein stieg Gilam'esh schließlich zurück in die Fluten des Stroms. Schwerverletzte und kampfunfähige Ditrydree wurden von sechs unverletzten Kriegern in vier Thurainas stromaufwärts geschafft. In einem See sollten die Gesunden die Verwundeten pflegen und erst zum Steilen Sund nachkommen, wenn auch der Letzte genesen war.
    Hast du nicht verstanden, was ich sagte? Ich wünschte, du würdest bei der Lösung anderer Probleme genauso gründlich vorgehen!
    »Ich weiß nicht, worauf du anspielst«, murmelte der Kriegsmeister.
    Weißt du es wirklich nicht, oder willst du es nicht wissen?
    Natürlich hatte Matthew Drax immer wieder versucht, Gilam'esh auf das Thema anzusprechen, das ihm am heißesten unter den imaginären Nägeln brannte: auf die schwindende Atmosphäre des Mars und auf den Strahl. Dein Schwur in Ehren, aber da ich das Hirn mit dir teilen muss, darfst du mir gegenüber ganz offen sein – ich weiß

Weitere Kostenlose Bücher