1683 - Aus der Hölle entlassen
umgeschaut, weil ich Gewissheit haben wollte, aber ich habe niemanden und nichts gesehen, das in mir einen Verdacht erregt hätte. Doch ich hatte den Eindruck, nicht mehr allein gewesen zu sein. Zumindest für einige Augenblicke.«
»Ja, das kenne ich.«
»Aber bei dir hat es zumindest eine Warnung gegeben. Das habe ich nicht erlebt.«
»Hast du denn noch etwas gespürt?«
»Wie meinst du?«
»Eine Berührung. Etwas Kaltes, Geisterhaftes. Etwas, das dich berührt hat.«
»Nein, das habe ich nicht. Ich kann nur immer wieder sagen, dass ich in diesen Sekunden nicht mehr allein gewesen bin. Dass sich etwas Unsichtbares und Unbekanntes direkt neben mir aufhielt. Und ich habe es nicht als positiv eingestuft.«
Ich nickte. »So war es auch bei mir. Nur hat mich mein Kreuz schließlich gewarnt.«
»Dann hat sich keiner von uns geirrt.«
»So ist es.«
Was sollte ich dazu sagen? Ich hätte Glenda gern beruhigt, aber das konnte ich nicht. Auch ich war überfragt und wunderte mich dann über Glendas Lachen.
»Allmählich habe ich den Eindruck, dass man uns nicht in Ruhe lassen will. Die andere Seite ist immer präsent.«
»Und wer könnte dahinterstecken?«
Wieder lachte Glenda. »Du bist der Fachmann und stehst mit den Mächten der Finsternis mehr auf Kriegsfuß als ich.«
»Da gibt es einige.«
»Klar. Und welche, die sich nicht zeigen, die aus dem Unsichtbaren hervor agieren.«
Ich hob die Schultern und trank zunächst einen kräftigen Schluck. »Es könnte auch so sein«, sagte ich leise, »dass jemand den Weg aus einer anderen Dimension gefunden hat, um an uns heranzukommen.«
»Das denke ich auch.« Glenda legte ihre Hände gegeneinander. »Aber ist das glaubhaft?«
»Keine Ahnung. Im Augenblick jedenfalls weiß ich keine andere Erklärung.«
»Ja, ich auch nicht«, gab sie zu. »Und was machen wir jetzt? Darauf warten, dass man uns wieder kontaktiert?«
»Wäre eine Möglichkeit, denn wir selbst können mit der Suche nicht beginnen. Wir wissen ja nicht, wo wir anfangen sollen. Ich darf gar nicht daran denken, auf wie vielen Listen ich stehe. Deshalb kann ich auch mit keinem Verdacht dienen.«
»Ja, so denke ich auch.«
Beide wussten wir nicht mehr, was wir noch sagen sollten. Es gab einfach zu wenige Fakten, und von Beweisen konnten wir schon gar nicht sprechen. Aber man hielt uns unter Kontrolle. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir gefiel.
»Tja, wenn man sich schon mal einen netten Abend gönnen will«, sagte Glenda, dann hob sie die Schultern. »Daraus wird meistens nichts. Egal, wir müssen uns damit abfinden.«
Dagegen gab es nichts zu sagen. Dass ich von der anderen Seite her unter Beobachtung stand, war bekannt. Daran hatte ich mich auch gewöhnt, aber ich wollte immer gern wissen, wer hinter bestimmten Attacken steckte. Das war in diesem Fall leider nicht so. Wir stocherten im Dunkeln, doch ich war davon überzeugt, dass es nicht lange so bleiben würde. Irgendwann musste sich etwas verändern. Ich hoffte darauf, dass es schon bald geschah.
»Bleiben oder gehen, John?«
»Und wohin dann?«
Glenda lächelte. »Zu mir. Ich habe sogar einen Ventilator in der Wohnung.«
»Das ist ein Argument.«
»Und kaltes Bier gibt es auch.«
Diesmal lächelte ich. »Worauf warten wir dann noch?«
Zugleich standen wir auf. Ich befand mich noch in der Bewegung, da hörte ich die Stimme.
»Jetzt habe ich dich! Jetzt kannst du mir nicht mehr entkommen, Kreuzträger …«
***
Ich zuckte so heftig zusammen, dass Glenda Perkins sogar ihre Arme anhob und etwas sagen wollte, was sie dann nicht tat, denn sie richtete ihr Augenmerk auf mich.
Ich hatte jedes Wort verstanden und wusste zudem, dass ich die Stimme ganz normal gehört hatte und dass sie nicht in meinem Kopf entstanden war. Es war, als stünde der Sprecher direkt hinter mir, wobei er nicht sichtbar war.
Da ich die Stimme nicht mehr hörte, hatte ich Zeit, eine Gegenfrage zu stellen.
»Wer bist du?«
»Ich bin aus der Hölle entlassen worden …«
Mit dieser Antwort konnte ich nun gar nichts anfangen. Allerdings glaubte ich nicht, dass mich diese Gestalt belogen hatte. Trotzdem fragte ich nach.
»Tatsächlich aus der Hölle?«
»Ja.«
»Und warum?«
»Weil ich noch etwas zu erledigen habe. Man hat mich freigegeben, um meine Aufgabe erfüllen zu können.«
»Und das hat mit mir zu tun?«
»Ja, denn ich muss das fortsetzen, was ich nicht geschafft habe, verstehst du?«
Ich hatte verstanden, aber nicht begriffen.
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