1684 - So grausam ist die Angst
erreichte die Beine des Angreifers in einem flachen Hechtsprung. Sascha kam nicht mehr dazu, einen Messerstoß anzusetzen. Er kippte nach vorn und fiel über Suko hinweg. Genau der Wand entgegen, gegen die er prallte.
Alle hörten seinen Schrei. Er hatte sich das Gesicht heftig gestoßen, fing sich jedoch und drehte sich um.
Die Waffe hielt er noch immer fest, aber sein Gesicht sah jetzt anders aus. Die Nase hatte den Aufprall nicht überstanden. Sie war zusammengedrückt worden und bildete einen blutigen Klumpen. Aus ihr rann ein roter Faden dem Mund entgegen, und Sascha wimmerte vor Schmerzen. Zugleich schüttelte er sich, weil er nach einer weiteren Chance suchte, denn nach Aufgabe stand ihm nicht der Sinn.
Suko war schneller. Er riss den rechten Arm in die Höhe, bog ihn um, und erneut war ein Schrei zu hören. Erst jetzt ließ der junge Mann das Messer fallen, das Suko mit einem Fußtritt zur Seite beförderte und mich danach ansprach.
»Er gehört dir, John!«
Mein Freund wusste genau, was ich vorhatte. Sascha, das musste man leider so sagen, war besessen, und dieses Unheil musste ihm ausgetrieben werden.
Dafür gab es das Kreuz!
Sascha sah aus, als wäre er an die Wand genagelt worden. Sein Gesicht schien nur noch nur aus Augen und Mund zu bestehen, die weit aufgerissen waren. Über die Unterlippe rann heller Speichel, und die Laute, die ich hörte, konnte man schon als tierisch bezeichnen.
Ich zwang ihn dazu, auf mein Kreuz zu schauen, was für ihn schrecklich war. Er brüllte auf, warf den Kopf mal zur rechten, dann zur linken Seite, rutschte dabei über die Wand und schaffte es nicht, die Flucht zu ergreifen.
Das Kreuz geriet in seine Nähe, aber es berührte ihn nicht. Noch steckte der Geist in Sascha, und mir war klar, dass er sich dagegen wehren wurde, den Körper zu verlassen.
Sascha schrie weiter, riss die Arme hoch, und dann brach es aus ihm hervor. Speichel und Blut mischten sich miteinander. Zugleich sahen wir etwas Feinstoffliches um seine Gestalt tanzen, das seinen Weg zur Decke fand, wo es sich sofort wieder auflöste.
Wir hatten dieses Etwas nur eine kurze Zeit verfolgen können, aber der Umriss bildete die Form eines Menschen nach. Darco Uvalde hatte seinen Geistkörper oder seinen Astralleib aus diesem Menschen herausgezogen. Er würde sich wieder mit seinem normalen Körper vereinigen.
Sascha brach zusammen, als hätte ihm jemand die Beine weggetreten. Suko stand nahe genug und fing ihn auf, damit er nicht zu Boden schlug.
Das Kreuz, das ich noch immer in der Hand hielt, ließ ich in der rechten Tasche meiner dünnen Sommerjacke verschwinden.
Jetzt erwachten auch die übrigen Gäste wieder zum Leben. Ich hörte ihre Rufe. Alles schrie durcheinander. Diese schreckliche Szene musste verkraftet werden, was nicht leicht war.
Suko kniete neben dem jungen Mann. Er hatte Saschas Kopf zur Seite gedreht. Sollte noch etwas aus seinem Magen in die Kehle hochsteigen, konnte er sich wenigstens nicht verschlucken.
Mit einer Hand schlug mein Freund ihm leicht gegen die Wangen.
»Er ist zum Glück nicht tot, John. Er ist nur völlig fertig.«
Ein Mann erschien bei uns. Er schrie irgendwas in seiner Heimatsprache. Ich verstand, dass er der Vater war. Er wollte sich auf Suko stürzen und ihn von seinem Sohn wegzerren, doch ich war schneller. Ich bekam ihn in den Griff und schleuderte ihn herum, sodass er ebenfalls gegen die Wand prallte.
»Beruhigen Sie sich, Mister. Ihrem Sohn geht es zwar schlecht. Aber er lebt.«
»Wie?«
»Er ist nicht tot. Der böse Geist des Schamanen hat ihn verlassen. Wir haben ihn in die Flucht geschlagen. Sascha wird sich wieder erholen.«
Feuchte Augen starrten mich an. »Stimmt das?«
»Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen?«
Warme Atemzüge streiften mein Gesicht. »Er – er – ist besessen, nicht wahr?«
»So ist es. Und zwar von dem besessen, den ihr so verehrt. Der Geist des Schamanen hat ihn in Besitz genommen, und ich sage Ihnen, dass es letztendlich nicht gut für ihn ausgegangen wäre. Dieser Geist hätte ihn zu einem Amokläufer werden lassen.«
Saschas Vater sagte nichts. Er drehte den Kopf zur Seite und schlug die Hände vors Gesicht. Ich ließ ihn in Ruhe, denn es gab andere Leute, die sich um ihn kümmerten. Er saß jetzt, er bekam zu trinken, und wir wussten ab nun, dass wir unter Beobachtung standen.
Der Schamane hatte uns als Feind erkannt. Er würde versuchen, uns zu vernichten, und alles daransetzen, damit es klappte. Er scheute auch
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