1687 - Leibwächter der Halbvampire
hervorquoll.
Diese Sandra Hale war so eine verletzte Person. Ihr Chef hatte selbst zugegeben, dass ihr Blutverlust sehr stark gewesen war, und so blieb ich bei dieser Tatsache an dem Begriff Halbvampir hängen. Irina konnte also durchaus ein solches Wesen sein, und sie war von Moskau nach London gekommen.
Warum?
Das war die eine Frage, aber etwas Bestimmtes machte mir noch mehr Sorgen.
Bisher hatten wir die Halbvampire nur in der westlichen Hemisphäre erlebt. Der Osten war davon verschont geblieben. Sollte ich mit meiner Vermutung recht behalten, dann ergab sich ein ganz anderes Bild. Dann hatte Mallmann vor seinem Ende auch dort Spuren hinterlassen. Wenn ich den Gedanken weiterhin fortführte, war es nicht schwer, daran zu glauben, dass wir sie auf der ganzen Welt finden würden.
»Sie waren dabei, Parker!«, sagte ich.
»Hä? Wobei?«
»Als Ihre Mitarbeiterin das Blut verlor.«
Er verzog den Mund. »Was reden Sie denn da für einen Mist! Ich hätte doch nicht einfach zugeschaut, wie sie sich selbst …«
»Nein, das war nicht sie selbst, das ist eine andere Person gewesen, die sie so verletzt hat.«
»Super. Und warum hätte sie das tun sollen?«
»Ganz einfach. Sie sieht zwar aus wie ein Mensch, aber sie ist kein normaler. Um weiterhin existieren zu können, muss sie Menschenblut trinken. Das ist nun mal so. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
Yancey Parker schwieg. Es war seinem Gesicht anzusehen, dass es in ihm arbeitete. Dann nickte er und sagte mit leiser Stimme: »Es ist jetzt besser, wenn Sie von hier verschwinden, denn ich will nichts mit Polizisten zu tun haben, die schon so gut wie tot sind …«
***
Irina war satt, aber nicht zufrieden. Sie hielt sich in dem anderen Zimmer auf, das zwar keine Gitter vor dem Fenster hatte, ihr dennoch vorkam wie ein Gefängnis.
Sie wollte weg. Sie musste weg. Und sie wusste auch, dass alles in die Wege geleitet worden war. Sie würde sich bei Yancey Parker nicht lange aufhalten. Seine Firma war nur so etwas wie eine Übergangsstation, dann würde er kommen und sie abholen.
In den Weiten Russlands war sie aufgewachsen. Dort hatte sie auch den ersten Kontakt mit dieser faszinierenden Gestalt gehabt, die sie so sehr an Dracula erinnerte. Er hatte sie völlig für sich eingenommen und sie hatte alles für ihn getan.
Geschehen war es in einer mondhellen Nacht. Da hatte er sie in eine einsam liegende Hütte geschleppt und ihr gezeigt, wer er tatsächlich war. Sie hatte seine beiden Blutzähne gesehen und sofort alles begriffen. Es war ihr nur nicht mehr möglich gewesen, Fragen zu stellen, denn da war er schon über ihr gewesen, hatte sie rücklings auf ein Lager gelegt und zugebissen.
Wenn sie daran dachte, durchströmte sie noch jetzt so etwas wie ein wonniges Gefühl. Er hatte ihr Blut getrunken, und sie fragte sich, ob es etwas Intimeres gab als diese Anmache.
Noch während er schmatzend ihr Blut schlürfte, hatte sie sich gewünscht, so zu werden wie er.
Genau das war ihr nicht vergönnt gewesen. Auf halbem Weg hatte er gestoppt. Mit einem Lachen hatte er sich zurückgezogen, und alles Betteln hatte ihr nichts geholfen. Er wollte sie nicht völlig leer trinken und hatte ihr auch den Grund erklärt.
»Deine Zeit wird noch kommen …«
»Und wer bin ich jetzt?«
»Nicht mehr Mensch und nicht Vampir. Von jedem die Hälfte, aber die Tendenz neigt mehr zu mir. Du wirst normal essen, aber irgendwann wird dich der Hunger nach Blut überfallen, und den wirst du stillen müssen, um weiterhin leben zu können. So sieht deine Zukunft aus, Irina.«
Er hatte nicht viel mehr gesagt und sie allein gelassen. So recht glauben können hatte sie es nicht, aber nachdem sie sich das erste Opfer geholt hatte, einen Mann, den sie bei Dunkelheit von seinem Rad gezerrt hatte, da war ihr klar geworden, wie köstlich und wunderbar menschliches Blut schmecken konnte. Den Mann hatte sie liegen gelassen, zuvor aber getötet. Sie wollte keine Zeugen haben.
Von nun war ihr Leben in anderen Bahnen verlaufen. Sie schlug und biss sich durch. Sie besorgte sich das Geld von ihren Opfern. Sie gab der Polizei Rätsel auf. Mal tötete sie ihre Opfer, mal ließ sie sie am Leben, je nach Laune.
Bis sie eines Tages an jemanden geriet, der einer besonderen Gruppe von Menschen angehörte. Jetzt, im Nachhinein, glaubte sie, dass es kein Zufall, sondern gelenkt gewesen war. Da gab es eine Gruppe von Menschen, die einiges erfahren hatten und den Kontakt zu ihr suchten. Sie war in eine Falle
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