1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
verbunden und ihr noch Fesseln angelegt, die ihre Hand- und Fußgelenke umschlossen.
Dann war sie von der Ladefläche geholt worden. Zwar sah sie nichts, doch ihre anderen Sinne waren noch intakt und zudem geschärft.
Sie war zwar nicht von der Hölle in den Himmel gekommen, doch die schlechte Luft auf der Ladefläche hatte sie hinter sich gelassen. Stattdessen nahm sie einen frischen Duft wahr. Er musste von Blumen und auch Sträuchern stammen, und sie bezeichnete ihn als ein Stück Natur, in der sie bestimmt nicht lange bleiben würde.
Es war zu spüren, dass sie von Männerhänden getragen wurde. Auch Marcia Gay blieb an ihrer Seite. Sie sprach mit ihren Helfern, und das so, dass Shao sie auch verstand.
»Ihr wisst Bescheid und kümmert euch um die Verräterin. Räumt jeden Widerstand aus dem Weg.«
»Werden wir, keine Sorge.«
Der andere Mann fragte: »Was ist mit der Vorstellung nachher? Findet sie statt?«
»Und ob. Die Besucher sind begierig darauf. Schließlich bekommen sie etwas Neues geboten.«
»Alles klar.«
»Ihr müsst immer daran denken, dass wir noch Großes vorhaben. Daran werden auch unsere Feinde nichts ändern.«
Shao hielt den Mund. Sie bewegte allerdings ihre Augen unter der Binde, um etwas erkennen zu können. Zumindest sah sie einen hellen Schimmer.
Lange wurde sie nicht getragen, bis sie das Ziel erreichten. Wieder stellte sie sich darauf ein, zu lauschen. Sie hörte das typische Geräusch einer sich öffnenden Tür, dies allerdings recht leise.
»Schafft sie rein.«
»Und wohin?«
»Auf die Liege.«
»Gut.«
Shao merkte, dass es eine Stufe hochging. Danach geriet sie in eine andere Umgebung und auch in eine andere Luft, denn es war wärmer und stickig geworden. Auch die Schritte der beiden Männer hinterließen leise Echos. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie sich nicht mehr im Freien befanden. Man legte sie nieder, und Shao spürte eine normale Unterlage gegen den Rücken drücken.
»Ihr könnt fahren.«
»Wir melden uns dann.«
»Ja, und denkt daran, keine Rücksicht mehr. Ich will die Verräterin tot sehen.«
Sie versprachen es, und einer stellte noch eine Frage. »Was ist denn mit ihr?«
»Sie gehört mir. Das Schicksal hat sie mir in die Hände gespielt. Ich weiß, dass sie etwas Besonderes ist. Das war eine perfekte Fügung.«
Wenig später schlossen die beiden Männer die Tür. Shao hatte alles gehört und auch behalten. Sie nahm an, dass man sie allein gelassen hatte, aber das stellte sich schnell als eine Fehleinschätzung heraus.
Zuerst vernahm sie den tiefen Atemzug, danach folgte das leise Lachen und dann die Stimme.
»Jetzt bist du in meiner Gewalt, Shao. Das Schicksal hat es so gewollt, und ich habe immer gewusst, dass es auf meiner Seite ist. Daran solltest du denken.«
»Was willst du von mir?«
»Alles«, flüsterte sie Shao ins Gesicht. »Wirklich alles. Ich weiß, wer du bist. Ich weiß, dass Anita dich nicht grundlos gesucht und auch gefunden hat. Du bist etwas Besonderes, denn du besitzt eine Verbindung in die Vergangenheit. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ein derartiges Glück haben würde. Ich habe lange davon geträumt, und ich habe sehr darauf gehofft.«
»Und?«
Marcia lachte. »Denkst du noch an meinen Fächer? Kannst du ihn dir vorstellen?«
»Sicher.«
»Ich habe ihn zu einer Waffe umgebaut. Er ist in der Tat ungewöhnlich. Aber das ist nicht mein eigentliches Ziel gewesen, das sage ich dir auch. Es gibt etwas ganz anderes, das mich interessiert und hinter dem ich schon lange her bin.«
»Und was?«, fragte Shao.
»Es ist auch ein Fächer, aber nicht mit dem zu vergleichen, den ich besitze. Er ist etwas Wunderbares. Wer davon gehört hat, der muss ihn einfach haben. Viele starteten einen Versuch, aber so richtig gelungen ist es keinem, den Fächer zu bekommen. Muss ich dir noch mehr sagen, oder weißt du, wovon ich spreche?«
»Ich kann es mir denken.«
»Dann sag es!«
»Es ist der Fächer der Sonnengöttin Amaterasu!«
In den folgenden Sekunden erlebte Shao eine Reaktion, die sie erschreckte. Marcia Gay schrie und lachte ihren Triumph hinaus, dabei beugte sie sich so tief über Shao, dass diese den Atem der anderen Frau auf ihrem Gesicht spürte.
»Und den willst du haben?«
»Ja, ich werde eine Spur zu ihm finden und werde ihn dann in meinen Besitz bringen.« Sie trat mit dem Fuß auf. »Und du wirst mir dabei behilflich sein. Ich weiß, dass du es kannst. Ich habe mich umgehört. Du bist jemand, der genau Bescheid
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