1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
ihr zu kommen.
Shao schob diese Gedanken beiseite und beschäftigte sich mit ihrer Befreiung. Sie musste sich frei bewegen können, denn sie wusste nicht, wie der Killer mit den Mandelaugen reagierte, wenn er zurückkam. Möglicherweise war etwas passiert, was ihre Pläne ins Wanken gebracht hatte.
Dieser Gedanke war nicht mal so abwegig. Denn ihr Verschwinden war sicher aufgefallen, und wenn, dann hatte das zumindest zwei Männer in Alarmbereitschaft versetzt.
Zum einen Suko, ihren Partner, und seinen Freund und Kollegen John Sinclair. Beide würden alles daransetzen, um sie zu finden, aber ob sie darauf kamen, wer wirklich dahintersteckte, das war die Frage. Also machte sich Shao erst mal keine allzu großen Hoffnungen.
Sie musste selbst etwas tun. Die Pritsche war nicht besonders breit, aber Shao wollte darauf bleiben und sich nicht auf den Boden fallen lassen.
Sie lag auf dem Rücken. Erst musste sie ihre Hände frei bekommen. Sie brachte sie dicht vor ihr Gesicht. Sie suchte nach einem Knoten, den sie vielleicht mit den Zähnen lösen konnte. Doch die Schnüre saßen zu stramm, sie hielten auch, und sie einfach zu zerreißen war unmöglich.
Man musste sie schon zerschneiden. Dafür fehlte Shao das nötige Werkzeug.
Sie drehte ihre Hände und entdeckte einen Knoten dort, wo sich die Handgelenke innen gegeneinander drückten.
Sie ließ die Hände wieder sinken, um sich die Fußfesseln genauer anzusehen. Dazu musste sie die Beine anheben und knicken.
Nichts zu machen. Auch die Fußfesseln saßen stramm, aber sie waren mit den Fingern zu erreichen, denn die konnte Shao bewegen. Für sie war das so etwas wie ein Hoffnungsschimmer, aber sie wollte erst noch Kräfte sammeln, um dann mit ihren Versuchen zu beginnen.
Noch mal streckte sich die Chinesin lang aus und dachte daran, wie gern sie in diesem Fall als Phantom mit der Maske aufgetreten wäre, aber das konnte sie hier vergessen.
Ruhig bleiben. Als läge sie hier in diesem Raum, um die Stille zu genießen.
Stille?
Ja, sie war vorhanden. Aber etwas störte sie doch. Zuerst glaubte sie an eine akustische Täuschung, als sie ein Geräusch hörte, das sie nicht einordnen konnte.
Was war das?
Sie musste sich stark konzentrieren. Etwas stampfte vom Boden her, und es war nicht anderes als ein leises Schaben. Als würde jemand über eine glatte Fläche kriechen.
Und das Geräusch war hinter ihr hörbar. Shao überlegte, ob sie den Kopf drehen oder sich aufrichten sollte. Das tat sie noch nicht. Sie wollte erst abwarten, um sicher zu wissen, ob ihr die Nerven keinen Streich gespielt hatten und das Geräusch wirklich vorhanden war.
Das Geräusch blieb. Da näherte sich ihr etwas.
Noch immer hatte sie nichts gesehen. Das Geräusch hörte sich harmlos an. Auf der anderen Seite sagte sie sich, dass nichts harmlos war, was in dieser Umgebung geschah.
Sie hielt es nicht mehr aus und richtete sich auf. Dabei kam ihr der Gedanke, dass ihre Füße zwar gefesselt waren, sie zwar nicht gehen, aber vielleicht hüpfen konnte, und so würde sie auch eine weitere Seitentür erreichen.
Sie setzte sich hin.
Es tat ihr gut. An den gefesselten Gelenken spürte sie einen ziehenden Druck, schon mit einem scharfen Schmerz zu vergleichen.
Dann drehte sie den Kopf nach rechts. Zunächst entdeckte sie nichts, denn sie schaute in das Grau des Dämmerlichts. Es sorgte dafür, dass sich die Konturen auflösten und es schwer war, etwas zu erkennen.
Das Geräusch blieb bestehen und konzentrierte sich auf den Boden.
Shao senkte den Blick.
Zwei Sekunden vergingen, bevor sie etwas erkannte und zugeben musste, dass sich über dem Boden – nein, oder auf dem Boden etwas bewegte. Sie schaute genauer hin und erkannte einen langen Gegenstand, dessen hinteres Ende völlig verschwand.
Seltsam …
Ihre Gedanken überschlugen sich dabei. Alles Mögliche schoss ihr durch den Kopf, während sie bewegungslos auf der Pritsche hocken blieb. Inzwischen schob sich das Gebilde näher und es kam der Moment, in dem sie erkannte, was da auf sie zu glitt.
Glauben konnte sie es nicht. Nur sprachen die Tatsachen dagegen, und ein paar Sekunden später erhielt sie die Bestätigung, als der vordere Teil in die hellere Zone glitt.
Shao sah einen Kopf!
So unglaublich es auch sein mochte, es war der Kopf einer Riesenschlange …
***
Nach dieser Entdeckung tat sie erst mal nichts. Sie musste nachdenken, und es schossen ihr zahlreiche Gedanken durch den Kopf. Einen besseren Wächter hätte sich Marcia
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