1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
zog dabei ihre Schultern zusammen wie jemand, der friert. »Das willst du wirklich tun?«
»Warum nicht?«
»Es kann gefährlich sein.«
Shao lachte. »Ich bin es gewohnt, mit Gefahren zu leben. Das solltest du doch wissen, oder? Du hast mich ja sicher nicht rein zufällig abgepasst.«
»Das stimmt sogar.«
»Gut, dann bleibst du hier sitzen. Ich werde mal einen Blick in das Fahrerhaus werfen.«
Anita sagte nichts mehr. Sie hob nur die Schultern an, ändern konnte sie sowieso nichts.
Shao stieg aus. Sie musste zugeben, dass sie schon einen ungewöhnlichen Fall erlebte. Diese Anita Huen hatte sich zudem bestimmt nicht grundlos an sie gewandt. So harmlos war sie also nicht.
Als sie neben dem BMW stand, sah sie auch die Schlange, die sich hinter dem Transporter gebildet hatte. Der Grund dafür lag weiter vorn, erkennen konnte sie ihn nicht. Es war auch keine Polizei oder Feuerwehr da. Jedenfalls sah sie keine Lichter, die dazugehört hätten.
Sie passierte den japanischen Wagen, in dem die beiden Frauen saßen. Sie sprachen nicht mehr miteinander, sondern telefonierten beide. Was um sie herum geschah, dafür hatten sie keinen Blick.
Der helle Transporter stand dicht hinter dem Daihatsu. Es war ein Mercedes, und beim Näherkommen sah Shao, dass das Fahrerhaus von zwei Männern besetzt war. Auf dem ersten Blick war nichts Konkretes bei ihnen zu erkennen, auf dem zweiten schon, dann zuckte selbst Shao leicht zusammen.
Die Männer stammten ebenfalls aus Asien. Wenn Shao nicht alles täuschte, waren es sogar Landsleute von ihr. Typen, die irgendwie gleich aussahen und auch gleichgültig taten, denn sie gönnten Shao keinen Blick und sahen zu offensichtlich an ihr vorbei.
Allmählich glaubte auch sie daran, dass hier etwas nicht stimmte. Sie hatte noch daran gedacht, dass sich Anita Huen die Geschichte der Verfolgung ausgedacht hatte. Okay, es konnte Zufall sein, dass das Fahrerhaus von zwei Chinesen besetzt war, aber die Dinge konnten auch ganz anders liegen.
Shao ging weiter und hielt sich dabei dicht an der Außenwand des Fahrzeugs. Sie hatte sich vorgenommen, die Rückseite zu erreichen, um dort zu probieren, ob die Ladetür verschlossen oder offen war. Manchmal hatte man ja Glück.
Der Wagen, der hinter dem Transporter stand, war ein Van. Ein Mann in Arbeitskleidung saß hinter dem Lenkrad. Er nutzte die Pause aus und hatte die Augen geschlossen. Auf der dunkelblauen Kühlerhaube war der Name einer Firma gepinselt, die Heizungen reparierte und neu einbaute.
Für Shao konnte es nicht besser laufen, denn Zeugen wollte sie nicht haben.
Sie blieb vor der Rückseite stehen. Die Tür bestand aus zwei Hälften. Es gab auch zwei Griffe, um jeweils den einen oder anderen Teil öffnen zu können.
Shao entschied sich für die rechte Seite. Ein wenig komisch war ihr schon. Es lag an der inneren Anspannung oder an ihrem doch schlechten Gewissen, als sie den Griff packte und ihn nach unten hebelte. Eigentlich rechnete sie damit, dass die Tür verschlossen war, aber da hatte sie sich geirrt.
Die Tür war offen, und sie erschrak erst darüber. Wenig später warf sie einen Blick auf die Ladefläche und wunderte sich zunächst, dass dort ein schwaches Licht brannte.
Noch mehr wunderte sie sich über die Ladung . Sie bestand aus einer Frau, die auf einem Kissen hockte, das am Boden lag. Shao schoss durch den Kopf, dass sie den Killer mit den Mandelaugen vor sich hatte …
***
Die Frau bewegte sich nicht. Sie erinnerte an eine Puppe, die man in den Wagen gesetzt hatte. In dem nicht eben hellen Licht fiel ihr sehr bleiches Gesicht auf, in dem sich nichts regte. Starke, dunkle Augenbrauen, ebenso dunkel wie das Haar, auf dem eine Haube saß, die aus zwei Hälften bestand, die sich wiederum auf der Kopfmitte trafen. Von diesen Hälften hing ein Tuch oder ein dichter Schleier herab. Es sorgte dafür, dass die dunklen Haare nur als Ansatz dicht über der Stirn zu sehen waren.
Auch jetzt hatte sich die Person nicht bewegt. Der Blick ihrer starren Augen galt einzig und allein Shao. Die Lippen hatte sie nachgezogen und das mit einer Farbe, die recht dunkel aussah. Man konnte da von einem violetten Schimmern sprechen.
Sie war mit einem langen Gewand bekleidet. Die Ärmel des dunklen Stoffs reichten ebenfalls bis zu den Handgelenken, wobei sie den rechten Arm angewinkelt und halb erhoben hatte, um den Gegenstand zu zeigen, der für sie wohl wichtig war.
Sie hielt einen Fächer fest. Er war ausgefahren und bildete so einen
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