1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
sehen.
Das war ihre Chance!
Anita zögerte nicht einen Augenblick. Sie drückte die Tür auf und bewegte sich dabei sogar sehr kontrolliert. Nur nicht auffallen. Auch nicht zurückschauen. So hatte sie tatsächlich das Glück auf ihrer Seite, denn sie verließ den Wagen, ohne gesehen zu werden.
Und sie rannte weg.
Der Gehsteig war nicht weit entfernt. Hauswände erschienen vor ihren Augen. Sie sah auch die Menschen in der Nähe, die ihr einen guten Schutz boten. Geschäfte bildeten eine Front. Was da verkauft wurde, sah Anita nicht. Sie lief so schnell wie möglich dem Ende der Straße entgegen, die soeben wieder für den Verkehr freigegeben wurde. Männer in Arbeitskleidung verließen die Nähe eines Gullys, weil sie dort beschäftigt gewesen waren. Die ersten Fahrer ließen die Motoren an und nahmen langsam Fahrt auf.
Es war der Moment, in dem Anita Huen um die Ecke huschte und in eine andere Straße geriet. Sie blieb auf dem Gehsteig, aber sie wusste, dass sie diesen Weg nicht lange laufen durfte. Sie musste ein Versteck finden und sah eine schmale Einfahrt zwischen zwei Häusern, in die sie hineinhuschte. Es war der Durchgang zu einem Platz, auf dem einige Autos vor einer Rampe standen, um beladen zu werden.
Erst jetzt lief Anita langsamer.
Es ging ihr besser, denn sie sah und hörte keine Verfolger hinter sich. Ein schlechtes Gewissen hatte sie trotzdem, denn sie wusste nicht, was mit Shao passiert war.
Das bereitete ihr große Sorgen …
***
Bei Luigi, unserem Stammitaliener, hatten wir gut gegessen, wobei Glenda sich nur für einen Salat entschieden hatte. Suko und ich aber waren von der Antipastiplatte sehr angetan gewesen. Besonders das Vitello tonato hatte mir gut gemundet, das Kalbfleisch war wunderbar zart gewesen und die Soße voller Geschmack.
Auf dem Rückweg nahmen wir Glenda in die Mitte, die sich darüber freute und der Ansicht war, dass sie endlich mal von zwei Männern beschützt wurde.
»Das hört sich an, als würdest du nicht allein zurechtkommen«, bemerkte ich.
Glenda blieb stehen, und wir taten es auch. Sie stemmte die Hände in die Hüften, schaute mich an, nickte und gab die entsprechende Antwort.
»So etwas konnte auch nur von dir kommen. Jede Frau freut sich eben, wenn sie männliche Beschützer hat, aber da kannst du dich ja nicht hineindenken.«
»Ich bin auch keine Frau«, erwiderte ich grinsend.
»Ja, man sieht es. Alles andere wäre ja noch schöner.« Sie pustete ein »Pah«, in die Luft und sagte nur: »Männer. So seid ihr eben.«
»Ich auch?«, fragte Suko lächelnd.
»Hoffentlich nicht. Ich könnte jedoch Shao fragen und bin gespannt, was sie dazu sagt.«
»Weiß ich nicht.«
»Auf jeden Fall lebst du mit einer Partnerin zusammen. Da lernt man automatisch gegenseitige Rücksichtsnahme und auch, dass man Kompromisse eingehen muss.«
»Stimmt allerdings.«
Glenda hatte gewonnen. Sie nickte mir zu und setzte ihren Weg die ersten Meter allein fort.
Wir schauten auf ihren Rücken und sahen den braunen Wildlederrock und die grüne Bluse, die ihren Oberkörper eng umspannte. Die Strickjacke hatte sie über den Arm gelegt, denn es war inzwischen recht warm geworden.
Ich erreichte Glenda und fragte: »Kochst du denn einen Kaffee? Bei Luigi habe ich darauf verzichtet, da seiner an deine Klasse nicht heranreicht.«
»Ach? Willst du Pluspunkte sammeln?«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
Sie warf mir einen Blick von der Seite zu. »Okay, ich habe dir noch mal verziehen.«
»Danke, sehr großzügig.«
»So bin ich eben.«
Es dauerte nicht mehr lange, da hatten wir wieder unsere Plätze im Büro eingenommen. Mir spukte der letzte Fall noch durch den Kopf, in dem es um die Russin Irina, eine Halbvampirin gegangen war. Aber auch um ihren Leibwächter Yancey Parker, dem sie letztendlich ein Messer in den Leib gerammt hatte.
Er war sehr schwer verletzt worden. Als der Rettungswagen eingetroffen war, hatte er zwar noch gelebt, aber es hatte nicht gut für ihn ausgesehen. Ich wollte wissen, ob man im Hospital sein Leben gerettet hatte. Das würde mich einen Anruf kosten.
Suko war bereits in unser Büro gegangen. Dort meldete sich das Telefon. Er nahm ab und ich blieb bei Glenda im Vorzimmer.
Sie wusste, was ich vorhatte. Die Nummer des Krankenhauses hatte sie herausgesucht und sagte: »Ich kenne diesen Parker zwar nicht, aber ich hoffe, dass er es überstanden hat.«
»Das hoffe ich auch.«
Der Ruf ging durch, und ich ließ mich mit der entsprechenden Station
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