1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
Ihnen den Weg, den wir nehmen müssen.«
»Ist schon okay.« Ich schaute nach links und lächelte der dunkelhaarigen Frau zu. Sie sah es nicht. Mary Kendrick schaute starr durch die Scheibe. Sie wirkte nervös. Hin und wieder zuckten ihre Mundwinkel, und der dünne Schweißfilm auf ihrer Stirn entging mir auch nicht.
Unter dem blauen Himmel sah der Ort aus wie hingegossen. Die Häuser standen auf verschiedenen Ebenen. Da hatten die Bauherren die hügelige Landschaft ausgenutzt. Wer gern höher wohnte, der hatte entsprechend gebaut. Es war ein netter Ort, in dem man sich wohl fühlen konnte.
Meine Begleiterin schien meine Gedanken erraten zu haben, denn sie sprach mich auf dieses Thema an.
»Eine Oase der Ruhe Mr Sinclair. Auch ich habe mich hier wohl gefühlt. Aber man muss auch hinter die Fassaden blicken.«
»Das immer.«
Eine Kirche war auch vorhanden, ihr Turm grüßte schon von Weitem.
»Fahren Sie langsamer, bitte. Wir müssen gleich links ab. Noch kurz vor der Tankstelle.«
»Okay.«
Benson wohnte außerhalb an einem Hang.
»Wahrscheinlich werden wir ihn bei diesem Wetter auf seiner Bank sitzend finden. Das ist sein Lieblingsplatz.«
»Wenn Sie das sagen.« Ich musste mich auf Mary Kendrick verlassen.
Der Weg tauchte bald auf. Er bog von der Asphaltstraße ab und führte in engen Kurven in die Höhe.
Mary Kendrick deutete nach rechts und auch etwas nach vorn, denn dort war ein Haus zu sehen.
»Da wohnt er.«
»Können wir mit dem Wagen vorfahren?«
»Ja.«
Nach einer engen Kurve fuhren wir einen Hang hoch und sahen schon die Bank, auf der ein Mann saß und sich von der Sonne bescheinen ließ. Ich fuhr den Golf nach links in eine Wiese hinein und parkte ihn dort.
Mrs Kendrick stieg zuerst aus. Sie sprach mit Benson. Was sie sagte, verstand ich nicht. Sie schien mich vorzustellen, denn sie deutete einige Male auf mich.
Ich ging langsam näher und hatte Zeit, mir den alten Benson genauer anzuschauen. Auf seinem Kopf saß eine flache Mütze. Helle Bartstoppeln malten sich auf seiner Haut ab. Sein Alter war sowieso schlecht zu schätzen. Er trug eine grüne Cordhose, dicke Schuhe und eine braune Jacke aus wetterfestem Stoff.
Ich wurde vorgestellt. Dabei schob Benson seine Mütze ein wenig zurück, weil er mir in die Augen schauen wollte. Nachdem er das getan hatte, nickte er.
»Willkommen, Mr Sinclair, ich freue mich.«
»Ich auch.« Ich drückte die mir entgegengestreckte Hand. »Und wie geht es Ihnen sonst?«
Seine Lippen zuckten. »Sie verschwenden keine Zeit, wie?«
»Warum sollte ich?«
»Gut. Kommen wir zum Thema.« Ab jetzt schaute er Mary Kendrick an. »Sie waren weg. Aber es ist wieder etwas passiert. Man hat erneut ein Kind entführt.«
Sie erschrak und flüsterte: »Was sagen Sie da?«
»Ja, das Kind wurde entführt und am alten Bahnhof von einer fremden jungen Frau gefunden. Der Bahnhof liegt ja nicht weit von hier entfernt. Dort hörte die junge Frau den Kleinen weinen. Sie hat ihn dann an sich genommen und traf auf mich.«
»Was passierte dann?«
Benson berichtete.
Wir hörten genau zu, und natürlich drängten sich Fragen auf.
»Bitte, Mr Benson, wissen Sie, wem das Kind gehört?«
Er überlegte nicht lange. »Es wurde am selben Tag entführt, an dem es auch gefunden wurde. Man hat es aus einem Kinderwagen geraubt. Der Junge heißt Lucas.«
Mary Kendrick schlug gegen ihre Stirn. »Lucas Corner?«
»Ja.«
Sie erschauerte. »Lucas ist noch ein Baby. Knapp ein Jahr alt. Ich weiß noch, wie er geboren wurde, ich kenne auch seine Eltern.«
Mein Gedankengang bewegte sich in eine andere Richtung. »Eine junge fremde Frau hat ihn gefunden?«
»Wie ich schon sagte. Am Bahnhof. Den gibt es noch, aber der wird schon seit Jahren nicht mehr angefahren. Er verrottet so langsam vor sich hin.«
»Klar, Mr Sinclair. Ich habe ihn nicht dorthin geschafft. Der Bahnhof interessiert mich nicht. Er ist für mich ein Platz, den man meiden sollte.«
»Dann waren es die Entführer«, flüsterte Mary Kendrick.
»Möglich«, meinte Benson.
Mir ging der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Ich glaubte nicht daran, dass Lucas Corner dort zufällig gefunden worden war. Dieser Ort konnte durchaus eine bestimmte Bedeutung haben.
Er musste in der Nähe liegen, war aber von unserem Standort aus nicht zu sehen.
Benson würde es wissen. »Wir kann ich den Bahnhof erreichen?«, fragte ich.
Er deutete über seine Schulter. »Sie müssen nur den Hang hinter mir hochgehen. Wenn Sie sein Ende erreicht
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