1695 - Rasputins Erben
stimmt.«
Da lachte Helen, bevor sie sagte: »Ich habe mal gelesen, dass die Mitarbeiter der Botschaften oft genug von Leuten des Geheimdienstes unterwandert sind. Das hört und liest man immer wieder. Darüber solltest du mal nachdenken.«
Lisa schwieg. Sie wollte nicht akzeptieren, was ihr Helen gesagt hatte. Aber so unrecht musste sie auch nicht haben, und Lisa erinnerte sich daran, dass Bert eigentlich nie viel über seine Arbeit in der Botschaft erzählt hatte. Da konnte man schon auf komische Gedanken kommen.
»Was willst du jetzt machen?«
Lisa hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich bin völlig durcheinander.«
»Trotzdem musst du etwas tun. Ich würde vorschlagen, dass du zu Berts Wohnung fährst und dich davon überzeugt, ob er wirklich tot ist.«
Lisa erschrak. »Meinst du, dass wir dort seine Leiche finden?«
»Ich meine nichts. Hast du einen Schlüssel?«
»Ja, den habe ich.«
»Dann schau nach. Und wenn du keinen Toten findest, solltest du dich mit der Polizei in Verbindung setzen. Ich habe einen Bekannten bei der Metropolitan Police, und ich glaube nicht, dass man dich dort auslachen wird. Außerdem sind wir beide überfallen worden, das ist auch ein Grund, sich an die Polizei zu wenden. Dort werden wir Anzeige gegen Unbekannt erstatten.«
Lisa Cameron überlegte. Sie war noch immer durcheinander, aber sie war jetzt auch froh, Helen an ihrer Seite zu haben, die einen klaren Kopf behielt.
»Hast du dich entschieden?«
»Ja. Ich fahre. Aber bitte …«, Lisa schaute ihre Freundin fast schon flehend an, »… kannst du mich nicht begleiten?«
Helen Snider lachte und sagte dann: »Wenn du mir auf die Beine hilfst, dann schon.«
»Danke, Helen, danke …«
***
Lisa Cameron hätte am liebsten ihre Freundin fahren lassen, aber sie musste einsehen, dass es Helen alles andere als gut ging. Sie hatte noch immer unter dem Niederschlag zu leiden. Bisher hatte sie sich zusammengerissen. Nun aber hockte sie apathisch auf dem Beifahrersitz. Ihr Kopf war nach vorn gesunken und pendelte stets hin und her.
»Wenn du willst, kannst du schlafen«, schlug Lisa vor.
»Nein, ich will mich nur ausruhen. Dann werden auch die Kopfschmerzen verschwinden.«
»Ich drücke dir die Daumen.«
Die beiden Frauen rollten weiter durch das nächtliche London. Lisa Cameron wunderte sich über sich selbst, dass sie noch fähig war, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Die Furcht davor, dass sie nicht wusste, was mit ihrem Freund geschehen war, wütete in ihrem Kopf. Die Gedanken waren wie Hammerschläge.
Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Bert nicht mehr lebte. Er war jung, er war dem Leben gegenüber immer positiv eingestellt, doch jetzt …
»Eine Lüge ist das«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Nein, ich will es nicht glauben.«
Die Vernunft aber sagte ihr etwas anderes. Sie hatte den Überfall auf sich und ihre Freundin erlebt. Das waren keine normalen Menschen gewesen, sondern regelrechte Monster. Sie würden sie nicht in Ruhe lassen, und Lisa fühlte sich noch immer mitten in der Gefahrenzone. Es musste nicht bei diesem ersten Treffen bleiben. Sie würde es schwer haben, den Leuten klarzumachen, dass sie nichts wusste. Da war es besser, das zu tun, was Helen ihr vorgeschlagen hatte, nämlich sich an die Polizei zu wenden.
Sie näherten sich ihrem Ziel recht schnell.
Lisa Cameron besuchte ihren Freund nicht zum ersten Mal. Sie wusste, wo sie ihren Wagen abstellen konnte. Und ein Smart passte in viele Lücken.
Sie fuhr in eine schmale Gasse und drehte das Lenkrad dann nach links, um den Wagen auf eine freie Fläche zu fahren, die zu einem Grundstück gehörte, auf dem kein Haus mehr stand, weil das alte abgerissen worden war. Der Besitzer wollte neu bauen, war aber noch nicht angefangen, und so diente die Fläche als Parkplatz.
Sie stoppte und schaute nach links. Helen Snider saß auf dem Beifahrersitz und war durch den Stopp wach geworden. Sie zwinkerte und schaute ihre Freundin an.
»Sind wir da?«
»Ja. Wir haben es geschafft.«
Helen rieb über ihre Augen. »Einen Moment noch, dann bin ich wieder in der Spur.«
»Schon gut.«
Es vergingen kaum zehn Sekunden, da öffnete Helen die Tür auf ihrer Seite. Beide Frauen stiegen aus. Sie fröstelten, denn der Wind hatte aufgefrischt und blies in ihre Gesichter.
Dies war keine Straße, die dazu einlud, sich auf ihr während der Dunkelheit aufzuhalten. So waren die beiden Frauen auch allein. Niemand störte sie bei den nächsten
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