1695 - Rasputins Erben
trinken?«
»Genau.«
»Mal sehen.«
»Jetzt sag nicht, dass du dich mit deinem Freund Bert Hill triffst.«
Wieder musste Lisa lachen. »Nein, Helen, das findet erst am Wochenende statt. Er hat zu viel zu tun.«
»Ach ja, er dolmetscht.«
»Genau.«
»Dann bist du ja frei.«
Sie nickte und fragte zugleich: »Wo gehen wir hin? Wie ich dich kenne, hast du dir schon was ausgesucht.«
»Richtig. Eine Cocktailbar. Da gibt es softe und harte Drinks. Eine wirklich tolle Auswahl.«
»Einverstanden.«
»Super.«
»Ich nehme dich sogar mit.«
»Noch besser. Ich finde es immer geil, in einem Smart zu fahren.«
Beide lachten, dann holten sie ihre Taschen. Sie verabschiedeten sich von den anderen Teilnehmerinnen und verließen das Nebengebäude der Schule, um auf einen dunklen Hof zu gelangen. Es gab zwar einige Laternen, aber davon brannte nur eine, und sie stand recht weit entfernt in der Nähe des Ausgangs. Um den geparkten Wagen zu erreichen, mussten die Frauen durch die Dunkelheit gehen.
Helen Snider beschwerte sich mal wieder. »Ich bin gespannt, wann hier die Laternen wieder Licht abgeben.« Sie stieß ihre Freundin an. »He, du arbeitest doch bei der Stadt. Kannst du nicht dafür sorgen, dass er hier heller wird?«
»Das ist nicht mein Gebiet. Ich bin beim Sozialamt beschäftigt. Tut mir echt leid.«
»Na ja, irgendwann wird es ja wieder hell um diese Zeit. Frühestens im nächsten Jahr.«
»Du sagst es.«
Lisa Cameron stellte ihren Smart stets an derselben Stelle ab, wenn sie den Yogakurs besuchte. Auch hier gab es eine Laterne, die nicht brannte. Dazu war es hier noch dunkler, weil jenseits des Hofs hohe Kastanien wuchsen, deren Blattwerk sehr dicht war und für einen zusätzlichen Schatten sorgte.
Neben dem Smart blieben die beiden Frauen stehen. Lisa hatte vergessen, unterwegs den Schlüssel aus der Tasche zu holen. Deshalb wühlte sie in dem beutelähnlichen Gegenstand herum und ärgerte sich mal wieder, dass sie die Schlüssel nicht fand.
»He, sei mal still!«
Helens Bitte war nicht zu überhören gewesen. Lisas Bewegungen froren ein.
»Was ist denn?«
»Ich habe was gehört and auch gesehen.«
»Und was?«
Helen hob die Schultern. »Das kann ich dir nicht genau sagen, aber es hat mir nicht gefallen. Ich glaubte, irgendwelche Schatten gesehen zu haben.«
»Wie?«
»Schatten, die menschliche Umrisse hatten.«
»Wo denn?«
»Auf dem Schulhof hier.«
»Hör auf, Lisa. Das ist doch Unsinn.«
»Nein, ich habe sie gesehen, und das nicht mal weit von hier entfernt. Auch Stimmen, die …« Sie sprach nicht mehr weiter, denn plötzlich waren die Schatten da.
Und es waren keine Schatten, sondern menschliche Gestalten, die nur sehr dunkel gekleidet waren. So hatten sie sich in der Umgebung ungesehen bewegen können.
Lisa war noch nichts aufgefallen. »Was ist denn los?«
»Da!«, rief Helen mit Zitterstimme. »Direkt hinter dir, Lisa!«
Lisa Cameron fuhr herum. Sie sah den Umriss eines Gesichts, dann trat ihr jemand gegen die Beine, sodass sie zu Boden stürzte, was auch ihre Freundin Helen Snider sah, die völlig von der Rolle und durch die Ereignisse so starr geworden war, dass sie überhaupt nicht mehr zurechtkam. Sie sah die beiden Gestalten, dann sah sie ihre Freundin fallen, und noch in derselben Sekunde traf sie ein zischender Atemzug, der über ihren Nacken fuhr.
Da wusste sie, dass auch jemand hinter ihr stand. Sie wunderte sich über ihre Reaktion. Der schnelle Sprung brachte sie nach rechts. Dort befand sich eine kleine Mauer, die den Schulhof begrenzte. Der nächste Sprung hätte sie darüber hinwegbringen können, doch den schaffte sie nicht mehr, weil die andere Seite schneller war.
Der ausgestreckte Arm wurde immer länger, dann griff eine Hand zu wie eine Klammer, die sich um Helens Ellbogen legte. Weg kam sie nicht. Der heftige Ruck ließ sie taumeln und sie torkelte genau in die Arme der dunklen Gestalt.
Eisern wurde sie festgehalten. Der Kopf beugte sich ihr entgegen, und sie schaute in ein blasses Gesicht, von dem sie Furcht bekam. Es war zwar menschlich, aber zugleich auch sehr starr. Vom Blick der Augen ging etwas Böses aus.
Eine Hand raste auf sie zu.
Der Schlag erwischte ihren Hals. Einen Moment später glaubte sie, in der Erde zu versinken. Die dunkle Welt um sie herum drehte sich. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie die Orientierung verloren, und dann war eine Schwärze um sie, die sie ins Nichts riss.
Bewusstlos sackte sie zusammen. Neben dem Smart blieb
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