17 - Das Konzil der Verdammten
hinzu und biss herzhaft in das Obst. Das saftige Fruchtfleisch mundete ihm vorzüglich. »Ich habe lange nicht etwas so Wohlschmeckendes gekostet. Was ist das?« » Malum Persicum , Bruder Eadulf«, erwiderte Bruder Chilperic, und nach einer Weile: »Der Bischof hat gesagt, ich sollte warten, bis ihr gefrühstückt habt, und euch dann gleich das Zimmer zeigen, in dem sich das Drama abgespielt hat.«
»Gleich nach dem Frühstück machen wir uns an die Arbeit«, bestätigte ihm Fidelma und griff nach einer ähnlichen Frucht wie Eadulf. »Wie hast du die genannt – persischer Apfel?«, fragte sie und biss vorsichtig hinein.
»Ja, genau so.«
»Weich und süß. Kauft ihr die von persischen Händlern?«
Bruder Chilperic schüttelte den Kopf. »Als die Römer vor einigen Jahrhunderten das Land hier eroberten, brachten sie die Samenkerne mit und pflanzten sie ein. In den Klostergärten erzielen wir gute Ernten. Nein danke, ich habe schon gegessen«, wehrte er ab, als Eadulf ihm die Obstschale zuschob.
Eadulf wischte sich genüsslich den Mund und grinste ihn schelmisch an. »Ich hoffe doch, die Erde hat nicht gleich gebebt, als Bischof Leodegar gestern Abend verkündete, dass sich in den Gängen und Hallen der Abtei eine Frau bewegen würde?«
Bruder Chilperic war verunsichert, wie er mit der humorigen Bemerkung umgehen sollte.
»Die Regelung des Bischofs ist erst ein Jahr in Kraft. Davor waren wir nicht von den Frauen getrennt. Wie in anderen frommen Gemeinden war auch das hier ein gemischtes Haus. Viele von uns haben Frauen und auch Kinder in dem domus feminarum nebenan – Frauen, von denen wir uns lossagen mussten, wenn wir hier weiterhin als Mönche leben wollten.«
»Von ihnen lossagen?«, fragte Fidelma befremdet.
»Wir mussten vor Gott und dem Bischof erklären, dass wir unserem Ehegelöbnis abschwören, weil Gott uns mehr als alles andere bedeutet.«
»Und was wäre geschehen, wenn ihr euch nicht dazu bekannt hättet?«
»Wir hätten das Kloster verlassen und uns eine andere Bleibe suchen müssen. Aber viele fromme Gemeinschaften in Burgund, in Austrasien und Neustrien lehnen gemischte Häuser ab. Wohin also hätten wir gehen sollen? Das hier ist unser Land.«
»Wäre es so schlimm gewesen, weiter nach Westen zu ziehen?«
»Viele von uns, Männer und Frauen, sind aus dieser Stadt«, erklärte er bedrückt. »Hier sind wir geboren, hier sind wir aufgewachsen, und wir gehören hierher. Das gilt für viele von uns in der Gemeinde. Wir sind Söhne und Töchter von ehemaligen Mönchen und Nonnen der Gemeinschaft. Wir haben keine Wahl, wir müssen uns der Regelung beugen.«
Fidelma war entsetzt. »Keine andere Wahl? Wie soll ich das verstehen?«
»Bischöfe sind allmächtig. Viele sind weltliche Fürsten, nicht nur Männer im Dienste Gottes. Man muss ihnen gehorchen.«
»Bischöfe wie Leodegar?«
Bruder Chilperic zauderte.
»Weiß Rom davon?«, fragte Eadulf erschüttert.
»Rom würde sich wohl wenig dafür interessieren. Rom sieht sich als weltliche Macht, deren Aufgabe es zwar ist, das moralische Gewissen der Fürsten des alten Imperiums zu stärken, gleichzeitig fordert sie aber Tribut von ihnen. Das ist letztlich der Grund, weshalb Rom mit den westlichen Kirchen auf Kriegsfuß steht. Die ewigen Streitigkeiten zwischen euren Kirchen und Rom gehen doch nun schon eine ganze Weile.«
Fidelma sah ihn aufmerksam an. »Und du? Hast du dich auch von deiner Frau losgesagt?«, fragte sie völlig unerwartet und nutzte bewusst seine Wortwahl.
Der junge Mann wurde rot. »Ich … ich habe keine Frau«, stammelte er und stand auf. »Euer Einverständnis vorausgesetzt, sollten wir jetzt mit der Untersuchung beginnen.«
Eadulf warf Fidelma einen vielsagenden Blick zu; er hielt es für besser, Bruder Chilperic nicht mit weiteren Fragen zu bedrängen.
»Ehe wir an die eigentliche Arbeit gehen, hätten wir gern, dass du uns noch ein wenig von der Abtei zeigst«, schlug Fidelma vor. »Das könnte uns manches erleichtern.«
»Ich weiß nicht recht«, brummelte Bruder Chilperic verunsichert.
Ärgerlich zog Fidelma die Augenbrauen zusammen. »Nun komm schon, Bruder. Unsere Mission hier ist sinnlos, wenn wir uns kein Bild machen können, wo genau wir eigentlich sind.«
Es blieb ein flüchtiger Erkundungsgang, aber zumindest verschaffte er Fidelma und Eadulf eine gewisse Orientierung. Die Abtei war größer, als sie erwartet hatten, und wurde nach zwei Seiten hin von hohen Stadtmauern begrenzt. Augenscheinlich gab es ein Hauptgebäude, eine
Weitere Kostenlose Bücher