17 - Das Konzil der Verdammten
angetroffen? Hast du mit Schwester Inginde gesprochen?«, wollte Bruder Sigeric sofort wissen.
»Sie bestätigt, dass Valretrade vorige Woche verschwunden ist. Sie sei in der Nacht, als sie losgegangen war, um sich mit dir zu treffen, nicht mehr zurückgekommen.«
»Nicht zurückgekehrt?« Bruder Sigeric war betroffen. »Sie hatte doch an unserem Treffpunkt die Figur so gestellt, dass ich wusste, sie war dort gewesen und wieder in ihre Kammer gegangen.«
»Wir sollten uns ins scriptorium begeben, da können wir uns in Ruhe unterhalten«, riet Fidelma. »Zumindest ist es dort gemütlicher als hier.«
Widerstrebend nahm der junge Mönch die Laterne auf und führte sie aus den Katakomben der Abtei.
Im scriptorium setzten sie sich in eine Ecke, und Fidelma berichtete, wie das Gespräch mit Schwester Inginde verlaufen war. »Nach dem, was Schwester Inginde von Schwester Radegund erfuhr, soll Valretrade eine schriftliche Mitteilung an die Äbtissin hinterlassen haben, aus der hervorgeht, dass sie die Abtei verlassen will.«
Bruder Sigeric brauste auf: »Lauter Lügen!«, rief er. »Ich schwöre, sie wird im domus feminarum gefangengehalten. Als eine teuflische Bestrafung, die ihr dieses Weib Audofleda zugedacht hat.«
»Könnten wir nicht verlangen, diese Notiz zu sehen?«, schlug Eadulf vor. »Valretrade hat sie doch selber schreiben können, nicht wahr?«
»Natürlich kann sie schreiben«, brummte Bruder Sigeric.
»Ach ja. Tut mit leid«, entschuldigte sich Eadulf. »Du hast uns erzählt, ihr beide habt hier Manuskripte abgeschrieben. Würde man ihre Handschrift erkennen?«
»Alle Kopisten haben ihre besonderen Schreibgewohnheiten«, erläuterte Sigeric. »Sie hat eine ausgeprägte Handschrift. Bei den Buchstaben ›b‹ und ›d‹ verzierte sie immer den Stamm mit einem kurzen Querstrich.«
»Sehr gut«, warf Fidelma ein, »das sollten wir nicht vergessen, muss uns nur gelingen, ihre Mitteilung zu Gesicht zu bekommen.«
»Egal, ob es nun so einen Brief gibt oder nicht. Nie hätte sie die Abtei verlassen, ohne sich mit mir zu beraten. Ich behaupte, sie ist nicht aus eigenem Antrieb fortgegangen.«
»Meinst du, man hat sie entführt?«, rätselte Eadulf.
»Genau das will ich damit sagen. Es gibt Gerüchte … über andere Frauen und ihre Kinder …«
»Gerüchte?«, forschte Fidelma. »Sprich!«
»Es heißt, Frauen und Kinder sind aus dem domus feminarum verschwunden.«
»Du meinst die Frauen und Kinder von einigen der Klosterbrüder hier?«
Bruder Sigeric bestätigte das nickend, und Fidelma schnaubte empört. »Warum hat mir das niemand vorher gesagt? Sei es, wie es sei! Seit wann gibt es solche Gerüchte?«
Bruder Sigeric fuhr sich mit den Fingern einer Hand durchs Haar, als ob er damit seinem Gedächtnis nachhelfen könnte. »Ich bin mir nicht sicher. Doch seit zwei oder drei Wochen reden einige Brüder davon. Valretrade hat auch einmal erwähnt, dass ein paar der verheirateten Frauen beschlossen hätten, die Abtei zu verlassen.«
»Kannst du dich erinnern, wie sie das ausgedrückt hat?«
Sigeric überlegte einen Moment. »Genau eigentlich nicht – tut mit leid.«
»Hat sie gewusst, weshalb diese Frauen wegwollten? Womit haben sie das begründet?«
»Sie waren fort, ehe noch jemand aus der Schwesternschaft wusste, dass sie gehen würden. Daher hat sie auch mit keiner darüber reden können.«
Fidelma kniff die Augen zusammen. »Heißt das, sie sind so wie Valretrade einfach aus dem domus feminarum verschwunden?«
Der junge Schreiber sah sie durchdringend an und versuchte, den Sinn ihrer Frage zu begreifen. »Verschwunden?«, wiederholte er.
»Wie viele verheiratete Frauen mit Kindern sind oder waren in der Klostergemeinschaft?«
»Bruder Chilperic würde das wissen«, begann Sigeric.
»Schätzungsweise wenigstens«, fuhr ihn Fidelma an. »Das wirst du uns doch zumindest sagen können.«
»Ich nehme an, etwa dreißig von den Brüdern, wenn nicht mehr, hatten feste Bindungen oder waren verheiratet. Es gab etwa ein Dutzend Kinder.«
»Und diese Brüder – sind sie alle fort?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Brüder sind noch hier in der Abtei. Das sind vor allem die, die sich Bischof Leodegar unterwarfen und sich von ihren Frauen scheiden ließen – wie Bruder Chilperic.«
»Wie viele ihrer Frauen und Kinder sind danach im domus feminarum verblieben?« Fidelma schlug mit der Faust auf den Tisch, dass beide Männer erschreckt zusammenfuhren. »Kenntnisse braucht man. Einzelheiten! Sine scientia ars nihil est!
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