17 - Das Konzil der Verdammten
Ohne Wissen nützt alle Kunst nichts.«
»Das verstehe ich nicht«, murmelte Bruder Sigeric.
»Ohne Kenntnis der Umstände und Einzelheiten kann ich keine Untersuchung führen. Hätte ich diese Geschichten von den verschwundenen Frauen und Kindern gewusst, dann hätte ich ganz andere Fragen stellen können.«
»Aber das sind doch nur Gerüchte«, protestierte Bruder Sigeric. »Bis auf eine Sache …«
»Und die wäre?«
»Einer der Brüder hat mit einem Händler aus der Stadt zu tun gehabt, der etwas von unserem Überschuss an Ernteerträgen abgenommen hat. Der erzählte ihm, er hätte drei Nonnen mit einem fremdländischen Mann gesehen. Darüber hätte er sich gewundert, denn er kannte die Frauen aus dem domus feminarum , früher wären sie mit Mönchen aus der Abtei verheiratet gewesen … eben bis …« Er endete mit hilfloser Geste.
»Wann wurden diese Nonnen gesehen?«
»Gerade vor einer Woche.«
»Wo? In der Stadt?«
»Er hat gesehen, wie sie in die Villa der Gräfin Beretrude gingen.«
Fidelma blieb eine Weile stumm, dann erklärte sie: »Das hätte ich längst wissen müssen. Ich muss der Sache auf den Grund gehen. Wenn diese Geschichten vom Verschwinden der Nonnen wahr sind, dann gilt es noch vieles zu klären.«
K APITEL 12
Am darauffolgenden Tag – Morgenandacht und Frühstück lagen hinter ihnen – stand Bruder Chilperic vor dem Refektorium und passte Fidelma und Eadulf ab. Er war merklich nervös.
»Bischof Leodegar wünscht euch so bald wie möglich in seinen Gemächern zu sehen.« Auch sein Tonfall war aufgeregt.
»Dem hat die Äbtissin zugesetzt«, murmelte Eadulf.
Der Bischof empfing sie verstimmt.
»Äbtissin Audofleda hat sich bei mir beschwert.«
Fidelma ließ sich von seiner missmutigen Art nicht einschüchtern, machte eher ein besorgtes Gesicht und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Ich wollte ohnehin mit dir über diese Frau sprechen, ehe wir unseren Bericht nach Rom senden.«
»Beleidigt hättet ihr sie und vergessen, dass …«, legte er los, hielt aber im gleichen Moment erschrocken inne. »Bericht nach Rom? Das bedarf einer Erklärung.«
»An sich wollte ich unverzüglich mit dir über sie reden, aber dann lief ich einem alten Freund von mir in die Arme, dem Emissär des Bischofs von Rom.«
»Dem Nuntius Peregrinus?« Bischof Leodegars Ton wurde etwas verbindlicher. »Du kennst ihn? Davon hat er mir nichts gesagt.«
»Selbstverständlich kenne ich ihn. Wie gesagt, ich wollte dir mein Befremden über das Gebaren der abbatissa nicht vorenthalten, aber nachdem ich ihm wiederbegegnete, fand ich es richtiger, ihn davon in Kenntnis zu setzen und meine Beschwerde an Rom zu richten.«
Bischof Leodegar war bestürzt. »Beschwerde? Wieso Beschwerde? Beschwert hat sich Äbtissin Audofleda, und zwar über euch.«
Gleichgültig zuckte Fidelma mit den Schultern. »Das wundert mich nicht. Für sie ist Angriff die beste Verteidigung. Aber was mich betrifft, kann ich nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen. Es gibt Dinge, über die ich nicht hinwegsehen kann.«
»Nicht darüber hinwegsehen? Was soll das heißen?«
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du davon gesprochen, dass diese Abtei – genau genommen beide Gemeinschaften, die der Ordensbrüder und Ordensschwestern – die Regel des Benedikt angenommen haben.«
Er nickte langsam.
»Dann solltest du von Äbtissin Audofleda verlangen, dass sie sich daran hält. Schließlich heißt es dort, eine abbatissa dürfe nicht vergessen, dass sie im Namen Christi handelt, stets eingedenk des höchsten Richterspruchs, der sie erwartet, wenn sie ihre Arbeit nicht wie ein armer und demütiger Landmann, der sich auf dem Acker plagt, verrichtet. Von Anfang an behandelte sie uns mit einer unbeschreiblichen Herablassung. Und als ich ihr sagte, wir würden in deinem Auftrag sprechen, denn du hättest uns die Befugnis erteilt, dem unnatürlichen Tod von Abt Dabhóc nachzugehen, lehnte sie jegliche Hilfestellung ab. Ich frage mich, wer leitet eigentlich die Gemeinschaft? Du oder Äbtissin Audofleda?«
Bischof Leodegar wurde rot. »Äbtissin Audofleda leitet das domus feminarum , aber unter meiner Zuständigkeit«, erwiderte er, in seinem Eifer gedämpft. »Sie hat mir die Sache anders dargestellt.«
»Das war zu erwarten. Ich lege Wert darauf, dass man ihr ihre Rolle und den Sinn der Regula in aller Deutlichkeit klarmacht, denn sie hat dich als ihren Vorgesetzten übergangen.«
Darauf bedacht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, versuchte Bischof
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