17 - Das Konzil der Verdammten
hinunter in den Waschraum ging. Ich wunderte mich, warum sie diesmal so lange ausblieb. Als ich wieder nach oben kam, waren die Sachen fort. Ich nahm an, sie wäre zurückgekommen und hätte sie mitgenommen, während ich mich wusch.«
»Also hat sie das domus feminarum verlassen, ohne sich zu verabschieden, hat aber noch Zeit gehabt, um der Äbtissin ein paar Zeilen zu schreiben?« Wie stark Fidelma das bezweifelte, war ihrer Stimme anzumerken.
Schwester Inginde zuckte die Achseln. »Eine andere Erklärung kann ich mir nicht denken.«
»Wann hast du erfahren, dass sie die Klostergemeinschaft für immer verlassen hat?«
»Beim Mittagessen. Da hat Schwester Radegund mir gesagt, dass Valretrade eine Mitteilung hinterlassen hat und fort ist.«
»Wie lange kennst du Valretrade schon?«
»Seit ich hierher kam, das war vor einem Jahr.«
»Und du hast immer diese Kammer mit ihr geteilt?«
»Von Anfang an«, bestätigte die Schwester.
»Es muss dir doch merkwürdig vorgekommen sein, dass sie fortgegangen ist, ohne dir auch nur ein Wort zu sagen. Hat dir nicht zu denken gegeben, dass genau zu der Zeit der Abt ermordet wurde?«
»Uns wurde gesagt, der Tod des Abts habe nichts mit Valretrade zu tun.«
»Hat Schwester Radegund dir gezeigt, was Valretrade geschrieben hatte?«
Wieder ein verneinendes Kopfschütteln.
»Hast du sie gebeten, es dir zu zeigen?«
Schwester Inginde musste kichern. »Man stellt Schwester Radegund keine Fragen und der Äbtissin erst recht nicht.«
Damit hatte Schwester Fidelma Erfahrung. »Hat sie angedeutet, warum sie sich gerade in jener Nacht mit Sigeric treffen wollte?«
»Ist das nicht klar, Schwester? Sie liebten einander.«
»War das alles? Gab es keinen anderen Grund?« Fidelma merkte, dass ihr Gegenüber unsicher wurde. »Nun rede schon. Irgendwas muss es gegeben haben.«
»Sie war nur so anders. Ich fand, sie war irgendwie erregt, als sie an dem Abend hereinkam. Irgendetwas beschäftigte sie. Ich bin sicher, sie hatte etwas gehört oder gesehen, das sie … ›verstörte‹ – genau das Wort suchte ich, etwas, das sie verstört hatte. Ich fragte sie, was los sei, doch sie wollte sich dazu nicht äußern.«
»Bist du nicht auch der Meinung, dass sie mit dir oder Sigeric darüber gesprochen hätte, falls sie die Abtei aus freien Stücken verlassen wollte?«
»Ich habe gedacht, sie hatte sich mit Sigeric verständigt und sich plötzlich entschlossen, gemeinsam mit ihm das Kloster zu verlassen. Dass dem nicht so war, merkte ich erst ein paar Tage später. Da kam Sigeric zum Frauenhaus und erkundigte sich nach ihr.«
Fidelma zog die Brauen zusammen. »Ich dachte, Schwester Radegund war die einzige, die von Sigerics Nachfrage an der Pforte des domus feminarum wusste.«
»Ich war zufällig in der Nähe der Pforte und habe das Gespräch mit angehört.«
»Und da hast du gar keinen Verdacht geschöpft?«
Das Mädchen gab sich unbeeindruckt. »Valretrade stammt aus Autun. Ihre leibliche Schwester lebt hier. Sie hätte ja zu ihr gegangen sein können, um einen Zeitpunkt abzuwarten, zu dem sie sich mit Sigeric verständigen konnte. Mehr weiß ich nicht.«
Fidelma schwieg, überdachte, was sie eben gehört hatte. Sie spürte, dass sie von Schwester Inginde nicht mehr erfahren würde. Das war enttäuschend. Offensichtlich bestand keine Verbindung zwischen dem Tod des Abts und Valretrades Verschwinden.
»Danke, Schwester Inginde«, sagte sie und erhob sich. »Ich muss dir wohl nicht sagen, dass unsere Begegnung auf jeden Fall unter uns bleiben muss.«
»Wirst du weiter versuchen, Valretrade zu finden?«, fragte die Klosterschwester leise.
»Ja, ich will mich bemühen«, antwortete Fidelma bitter. »Ich habe Sigeric versprochen, alles zu tun, was mir nur möglich ist.«
»Ich hoffe, dass du Erfolg hast. Doch vergiss nicht, Äbtissin Audofleda ist mächtig. Du solltest dich vor ihr in Acht nehmen.«
»Das werde ich tun«, versicherte Fidelma und ging zur Tür. »Wenn du mich brauchst, gib mir ein Zeichen. Mir fällt keine bessere Methode ein als die, die Valretrade benutzt hat – die Kerze im Fenster.«
»Ich werde daran denken. Aber nur, wenn es ganz dringend ist.«
»Vielen Dank, Schwester Inginde. Du hast mir sehr geholfen.«
Fidelma verließ die Zelle und ging zur Wendeltreppe. Im domus feminarum war alles still. Nichts regte sich. Ohne jeden Zwischenfall erreichte sie den Zugang zu den Gewölben. Sobald sie die Treppe herunterkam, eilten ihr Eadulf und Bruder Sigeric besorgt entgegen.
»Hast du sie
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