17 - Das Konzil der Verdammten
Ruck wach. Fidelma presste ihr die Hand auf den geöffneten Mund, um jeden Angstschrei zu ersticken. Blieb zu hoffen, Bruder Sigeric hatte recht mit seiner Behauptung, die junge Nonne spräche gut Latein.
»Sei still. Ich tue dir nichts zuleide«, flüsterte sie. »Bist du Schwester Inginde?«
Mit schreckgeweiteten Augen nickte das verängstigte Mädchen.
»Ich benötige deine Hilfe. Ich heiße Fidelma – ich bin mit Sigeric befreundet. Kennst du ihn?«
Wieder ein kurzes Nicken.
»Ich nehme jetzt die Hand weg, aber schrei nicht los.« Sie zog die Hand zurück und fuhr ruhig fort: »Ich bin hier, um Sigeric zu helfen, Valretrade zu finden. Sie hat diese Kammer mit dir geteilt. Man hat uns gesagt, sie habe sich entschlossen, diese Abtei und die Stadt zu verlassen.«
»So heißt es auch hier«, erwiderte Inginde zurückhaltend.
»Sigeric glaubt das nicht.«
»Darf ich mich aufsetzen?«
Fidelma trat zurück und nahm auf dem Bett gegenüber Platz. Schwester Inginde schwang sich aus dem ihrigen, griff sich eine Kutte und legte sie sich um die Schultern.
»Ich kann dich nicht richtig erkennen. Wie war doch dein Name? Fidelia?«
»Nein, Fidelma.«
»Das klingt ungewöhnlich.«
»Nicht in meiner Heimat. Ich bin aus Hibernia, wie ihr das Land nennt, weit im Westen.«
»Dann gehörst du nicht zu unserer Gemeinschaft hier?«
»Ich nehme am Konzil teil.«
Das Mädchen schüttelte ungläubig den Kopf. »Frauen sind zum Konzil nicht zugelassen …«, begann sie, hielt aber inne. »Oh, dann bist du diejenige, die der Bischof neulich beim Abendgebet erwähnt hat. Du untersuchst den Tod des hibernischen Abts. Wie ist denn so etwas möglich?«
»In meinem Land bin ich Anwältin. Bischof Leodegar hat mich bevollmächtigt, die Nachforschungen zu betreiben.«
Inginde schien immer noch misstrauisch. »Wenn du die Genehmigung des Bischofs hast, warum stiehlst du dich in die Schlafkammern der Schwestern wie ein Dieb in der Nacht?«
Fidelma lachte kurz auf. »Wahrscheinlich ist das die einzige Art, an die Wahrheit zu gelangen, ohne von deiner abbatissa behindert zu werden.« Das Mädchen überlief ein Schauder. »War sie es, die euch mitgeteilt hat, Valretrade habe das domus feminarum verlassen? Stimmt das eigentlich?«
»Valretrade ist seit fast einer Woche nicht mehr hier«, bestätigte die Nonne.
»Und sie ist aus freien Stücken gegangen?«.
»So hat es uns Äbtissin Audofleda gesagt.«
Fidelma beugte sich vor, sie hatte gespürt, dass die Antwort zögerlich kam. »Und du glaubst das?«
Das Mädchen rutschte unruhig hin und her. »Warum sollte ich es nicht glauben?«, erwiderte sie vorsichtig.
»Seien wir ehrlich miteinander«, redete ihr Fidelma zu. »Erzähl mir, was du über Schwester Valretrade weißt und wie sie aus dieser Abtei verschwunden ist.«
Schwester Inginde zögerte und sagte schließlich: »Ich weiß, dass sie mit Bruder Sigeric ein Verhältnis hatte.«
»Ein Verhältnis?«
»So nennt man das doch. Sie haben sich regelmäßig getroffen, aber mich ging das nichts an. Sie machten es heimlich; bloß weil ich die Zelle mit ihr teilte, habe ich natürlich die Zeichen gesehen, die sie ihm gab und die er ihr gab. Valretrade hat mir gestanden, dass sie ihn liebt.«
»Hat sonst noch jemand in der Abtei davon gewusst?«
»Ich glaube nicht.«
»Und wie ist sie verschwunden? War das die gleiche Nacht, in der Abt Dabhóc ermordet wurde?«
»Während der Morgenandacht haben wir das über den Abt erfahren. Und dass Valretrade uns verlassen hat, habe ich auf dem Weg zur Morgenandacht gehört.«
»Könntest du mir schildern, was sich in der Nacht zugetragen hat?«
»Eigentlich gibt es da gar nicht viel zu schildern. In der Nacht stellte Valretrade eine Kerze auf den Fenstersims dort« – sie wies mit dem Kopf in die Richtung –, »das tat sie immer, wenn sie sich mit Bruder Sigeric treffen wollte. Als sie die Antwort in seinem Kammerfenster sah, da über den Hof …«. Inginde stockte und runzelte die Stirn beim Blick aus dem Fenster. »Oh, da drüben brennt ja eine Kerze in Bruder Sigerics Zelle. Was mag das zu bedeuten?«
»Es ist ein Zeichen, das mich in die richtige Kammer leiten sollte«, erklärte Fidelma ihr. »Erzähl weiter.«
»Natürlich habe auch ich seine Kerze brennen sehen. Valretrade zog ihre Schwesterntracht an und ging, um sich mit ihm zu treffen.«
»Und sie ist nicht zurückgekommen?«
Schwester Inginde verneinte.
»Sie hat all ihre Sachen hier gelassen?«
»Das war merkwürdig. Sie waren hier, als ich am Morgen
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