17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Vergeltung nicht in die Hand nehmen, fliegen die Galgenvögel frei davon. Ihr wollt ja sogar ihnen einen schicken, der ihnen die Höhle öffnet.“
„Das werde ich allerdings tun.“
„Jawohl! Daß sie recht hübsch entkommen können!“
„Ich werde ihnen nicht einen ihrer Freunde schicken, sondern einen Mann, bei welchem sie keine Gnade und Nachsicht finden. Meine Ansicht war bisher allerdings, ihnen jetzt eine tüchtige Todesangst einzujagen, ihr Leben aber zu schonen. Was sie an uns verbrochen haben, können wir vergessen, und das andere geht uns nichts an. Jetzt aber nach Entdeckung dieser neuen gräßlichen Missetat halte ich zwar daran fest, daß wir uns selbst nicht an ihnen vergreifen dürfen, aber ihrer Strafe sollen sie nicht entgehen. Wir werden diesen Stojko Wites befreien und ihn dann hierher schicken. Ich glaube nicht, daß sie an ihm einen schwachherzigen und allzu nachsichtigen Richter haben werden.“
„Well! Das lasse ich gelten. Wir selbst greifen nicht in diesen Schmutz; aber dieser Barjactar wird sicher eine Rache nehmen, wie wir sie uns gar nicht aussinnen könnten. Übrigens ist es eine große Frage, ob dieser Stojko zeitig genug hier eintreffen wird, um das Richteramt üben zu können. In jedem Augenblick kann ein Freund des Köhlers kommen und denselben mit seinen Genossen befreien.“
„Das müssen wir allerdings gewärtig sein, aber es kann doch keiner von uns hierbleiben, um das zu verhindern.“
„Warum nicht?“ fragte der Dolmetscher. „Ich bin sofort bereit, zurückzubleiben. Sir David hat meine Hilfe nicht mehr nötig, da Sie nun bei ihm sind. Ich muß zwar auf mein Honorar verzichten, wenn ich das Amt des Dragoman –“
„Einen Verzicht gibt es nicht“, fiel Lindsay ein. „Ich zahle dennoch. Well!“
„Nun, so habe ich also in dieser Beziehung keinen Schaden. Ich bleibe hier und bewache die Scheusale, bis Stojko kommt. Oder denken Sie vielleicht, daß ich dieses Amtes nicht treu genug warten werde? Meinen Sie, daß ich geneigt bin, nach ihrer Entfernung mich diesen Menschen vielleicht gar gefällig zu erweisen?“
„Nein“, antwortete ich ihm. „Ich habe ja Gelegenheit gehabt, Sie zu prüfen. Ich hörte, was Ihnen für Vorschläge gemacht wurden, auf welche Sie doch nicht eingegangen sind. Sie haben dem Lord nicht verheimlicht, daß er sterben müsse, selbst wenn er die verlangte Geldsumme bezahlte. Ich weiß, daß Sie zu uns, nicht aber zu dem Köhler und seinem Anhang halten werden; aber ich weiß nicht, ob Sie Klugheit und Energie genug besitzen, das auszuführen, was Sie sich jetzt freiwillig vorgenommen haben.“
„Bitte, Sir, machen Sie sich darüber ja keine Sorge! Auch ich bin ein geborener Arnaute. Ich habe als Dolmetscher mit Leuten zu tun, welche ebenso hinterlistig wie gewalttätig sind. Ich werde doch wahrhaftig imstande sein, die Aufmerksamkeit der Leute, welche zufälligerweise hierher kommen könnten, von der Höhle abzuziehen! Und reicht die List nicht aus, so habe ich Waffen und brauche Gewalt.“
„Würden Sie das wirklich tun?“
„Gewiß! Denken Sie, ich wisse nicht, was auch meiner wartete, falls Sie nicht gekommen wären? Es wurde mir die Freiheit versprochen, ja; aber ich hätte sie niemals wiedergesehen. Man durfte ja auch mich nicht leben lassen, auch ich hätte alles verraten können. Man machte mir Hoffnung, damit ich dem Lord zureden möge, die Geldanweisung auszustellen. Sobald man sie in den Händen gehabt hätte, wäre auch mein Tod eine sichere Sache gewesen. Ich bin Familienvater, ich habe ein Weib, Eltern und mehrere Kinder, denen der Ernährer ermordet worden wäre. Wenn ich daran denke, so kann es mir nicht einfallen, den Mördern nur die geringste Nachsicht zu erweisen.“
„Well! Sehr gut!“ meinte der Lord. „Brauche zwar nun keinen Dolmetscher mehr, werde aber alles bezahlen und von heute an hundert Dollar geben. Gebe auch ein tüchtiges Bakschisch dazu, wenn alles gut klappt.“
„Daran soll es nicht fehlen. Aber wie wollen Sie zahlen, Sir, wenn Ihnen alles abgenommen worden ist?“
„Werde eben dem Schut alles wieder nehmen. Und wenn ich es nicht bekäme, so gilt die Unterschrift von David Lindsay überall so viel, wie es ihm beliebt.“
„Im Notfall bin ich auch vorhanden“, sagte ich. „Sir David Lindsay kann sich meiner Kasse bedienen, welche leider nicht die Unerschöpflichkeit der seinigen besitzt.“
„Ist Euch schon recht!“ lachte er. „Jetzt klagt Ihr über Geldmangel, aber als ich Euch
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