17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Euer Gefängnisnachbar gewesen, denn er steckt jetzt im Karaul bei Rugova.“
„Master!“
„Ja, ja! Hamd el Amasat ist nur deshalb bei ihm ins Geschäft getreten, um ihn zu ruinieren. Er hat ihn nach Pristina begleitet und ihn dem Schut in die Hände geliefert. Dort haben sie ihm sein Geld abgenommen. Da er Getreideeinkäufe machen wollte, so nehme ich an, daß er eine nicht geringe Summe bei sich trug. Hamd el Amasat hat ihm ferner, wie ich vermute, den Verkauf des Geschäftes und die Gründung eines neuen eingeredet. Dadurch ist das Vermögen Galingrés flüssig gemacht worden. Da er nicht selbst in Skutari ist, so gelangt es in die Hände seiner Frau oder seines Schwiegersohnes. Um es zu erlangen, muß Hamd el Amasat sich dieser Personen versichern, und zwar so, daß niemand es erfährt. Darum hat er ihnen der Wahrheit zuwider die Botschaft gebracht, Galingré sei direkt nach Uskub gereist, und sie sollten schnell dorthin nachkommen. Sie packten nun und werden reisen, aber nicht nach Uskub, sondern nur nach Rugova, wo sie verschwinden werden mit allem, was sie bei sich führen. Dieser Plan ist bereits vor längerer Zeit gefaßt und mit raffinierter Schlauheit ausgeführt worden. Hamd el Amasat hat seinen Bruder Barud aufgefordert, zu ihm zu kommen und in Rugova, im Karanirwan-Khan, mit ihm zusammenzutreffen. Dieser Zettel fiel in meine Hände und diente mir als Wegweiser. Die beiden Brüder beabsichtigen wohl, mit dem geraubten Geld irgendwo ein Geschäft anzufangen oder von dem Geld zu leben. Ein Teil des Raubes wird oder soll auf den Schut fallen. Man hat Galingré nicht ermordet, sondern man läßt ihn noch leben, um mit Hilfe seiner Unterschrift etwaige noch nicht eingegangene Außenstände später eintreiben zu können. So setze ich mir die ganze Geschichte zusammen, und ich glaube nicht, daß ich dabei viel irre gehen werde.“
Lindsay schwieg. Sein Fehler drückte ihn so sehr, daß er zunächst an nichts anderes denken mochte. Ich hielt die Bärentatze über das Feuer, um sie wieder warm zu machen, und reichte sie ihm dann mit den Worten hin:
„Laßt das Geschehene jetzt ruhen und beschäftigt Euch lieber mit dieser Delikatesse. Das wird Euch dienlicher sein.“
„Glaube es schon, Master! Aber für solche Dummheiten mit einer gebratenen Bärentatze belohnt zu werden, das muß ich allzuviel Nachsicht nennen. Ich will sie dennoch nehmen; aber ich werde meinen Streich quitt machen. Wehe diesem Disponenten, wenn ich ihn zwischen meine Hände bekomme!“
„Ihr werdet keine Gelegenheit finden, es ihm heimzuzahlen. Der Führer Sadek, welchen er erschoß, war der Vater unsers Omar. Hamad el Amasat ist also Omars Blutrache verfallen. Wir können nichts anderes tun, als der Sache einen möglichst humanen Abschluß geben. Eßt also jetzt, Sir! Wie es Euch in Rugova ergangen ist, könnt Ihr mir später sagen.“
„Das könnt Ihr sogleich erfahren. Mein Bekenntnis wird mir das Salz zum Braten sein.“
Er schob eine tüchtige Schnitte zwischen die Zähne, kaute, daß die Nase auf und nieder stieg, und berichtete:
„Wir quartierten uns, als wir Rugova erreichten, natürlich im Khan des Kara Nirwan ein. Der Wirt war selbst daheim, und ich gab den Empfehlungsbrief ab. Er las ihn bedächtig durch, steckte ihn ein und reichte mir auf das herzlichste die Hand, wobei er mir mit Hilfe des Dolmetschers versicherte, daß ich ihm bestens empfohlen sei und auf ihn rechnen könne; ich sei sein Gast, so lange es mir beliebe, und solle ja nicht etwa daran denken, etwas bezahlen zu müssen.“
„Wie ich Euch kenne, ließet Ihr nun grad Euer Geld sehen?“
„Natürlich! Dieser Mann sollte bemerken, daß ein Lord Altenglands bezahlen und dann, wenn man keine Bezahlung annehmen will, reichlich belohnen kann.“
„Ich hörte davon, als ich hier ein Gespräch des Köhlers mit dem Alim belauschte. Letzterer erzählte, daß Ihr sehr reich sein müßtet. Es ist stets unvorsichtig, in der Fremde – und zumal hier bei diesen unzähmbaren Leuten – reichlich Geldmittel sehen zu lassen.“
„Sollte man etwa denken, daß ich ein Lump sei, der sich nur deshalb um Empfehlungsbriefe bemüht, weil er umsonst essen und trinken will?“
„Das ist Eure Ansicht, Sir. Ich aber sage Euch, daß wir während unseres Rittes fast nie bezahlen durften und doch nicht für Lumpen gehalten worden sind.“
„So weiß ich wirklich nicht, auf welche Weise Ihr das anfangt. Ich kann kommen, wohin ich will, so ist das Geld stets das erste,
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