17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
was man bei mir sehen will. Und je mehr ich bezahle, desto dringender fährt man fort, Geld zu verlangen. Kurz und gut, ich gab sofort jedem Bediensteten des Kara Nirwan-Khanes ein tüchtiges Bakschisch, wofür sie mir alle die höchste Dankbarkeit zollten.“
„Ja, eine Dankbarkeit, welche endlich darin gipfelte, daß man Euch alles nahm, sogar die Freiheit. Auf welche Weise wurdet Ihr denn in die Falle gelockt?“
„Durch den Dolmetscher, dem ich unterwegs von meinen Reisen erzählt hatte. Unter anderem hatte ich ihm auch gesagt, daß ich gern vergrabene Altertümer zu Tage fördere, geflügelte Stiere und so weiter, aber nie ein rechtes Glück dabei gehabt hätte. Das hatte er dem Wirt wiedergesagt, und dieser ließ mich fragen, ob ich vielleicht in diese Gegend gekommen sei, um auch solche Ausgrabungen vorzunehmen. Auf meine Erkundigung teilte er mir mit, daß er allerdings einen Ort kenne, an welchem etwas sehr Wertvolles zu finden sei, doch habe die Regierung verboten, Nachforschungen zu halten.“
„Ah so! Dieses Verbot mußte er ersinnen, um Euch des Nachts fortlocken zu können.“
„So ist es. Er deutete heimlich auf den Dolmetscher und machte dabei eine Gebärde, aus welcher ich entnahm, daß auch dieser nichts erfahren dürfe. Da kam ich auf den Gedanken, dem Wirt das Wörterbuch zu geben, welches ich in Stambul gekauft hatte, ohne es brauchen zu können. Er nahm es und ging fort, jedenfalls, um darin zu studieren.“
„Das habt Ihr sehr brav gemacht. Er konnte nicht ohne Hilfe des Dolmetschers mit Euch sprechen. Dieser hätte jedenfalls Euch gewarnt. Durch das Buch gabt Ihr dem Schut das beste Mittel in die Hand, Euch, ohne daß der Dolmetscher Mißtrauen fassen konnte, in das Netz zu locken. Sagt ja nicht, daß der Dragoman die Schuld trage. Ihr habt Euch selbst alles zuzuschreiben. Fand sich denn der Schut in das Buch?“
„Sehr leicht; er konnte ja die türkische Schrift lesen. In einem unbewachten Augenblick des nächsten Tages winkte er mir, ihm in eine abgelegene Stube zu folgen, in welcher wir allein waren. Das Buch lag auf dem Tisch. Er hatte sich Wörter angezeichnet, las sie mir türkisch vor und deutete auf die daneben stehende englische Übersetzung. Am meisten wiederholten sich dabei die Worte Kanad aslani und Maden.“
„Also ein geflügelter Löwe in einem Bergwerk?“
„Ja, das war es, wie ich nach und nach verstand. Er zeigte mir durch die Wörter, welche er ausgesucht hatte, an, daß er mich des Nachts über den Fluß in einem Kahn nach einem Bergwerk führen werde, in welchem ein geflügelter Löwe zu finden sei.“
„Und diesen Unsinn habt Ihr geglaubt?“
„Warum nicht? Gibt es am Tigris geflügelte Stiere, so kann es auch hier am Drin geflügelte Löwen geben.“
„So seid Ihr freilich in der Geschichte besser bewandert als ich, der ich so etwas nicht für möglich halte.“
„Ob möglich oder nicht, ich glaubte es. Er nickte mir fragend zu, und ich nickte ihm antwortend. Die Sache war abgemacht, und als alle schliefen, holte er mich ab und führte mich zu dem Dorf an das Ufer des Flusses. Dort war ein Kahn und wir stiegen ein. Er ruderte stromaufwärts, bis wir eine Felswand erreichten, in welcher es ein Loch gab, von herabhängenden Pflanzen dicht überdeckt. Dahinein ging es. Der Kahn wurde angebunden, und dann brannte der Schut eine Fackel an, welche er mitgenommen hatte. Wir stiegen aus und befanden uns in einem Gang, welcher ein Stollen zu sein schien, auf dessen Boden Bretter gelegt waren. Er winkte mir, ihm zu folgen, und schritt mit der Fackel voran. Der Stollen stieg stetig bergan, bis wir in eine große, runde Kammer kamen, in deren Wand ich mehrere niedrige Türen bemerkte. Auch sah ich einen eisernen Ring in der Mauer, in welchen der Schut die Fackel steckte. Dann klatschte er in die Hand. Es öffnete sich eine der Türen, und es trat einer der Knechte hervor, welchem ich am Tag ein Bakschisch gegeben hatte. Er trug einen Hammer in der Hand. Der Schut öffnete eine zweite Tür und deutete hinein. Als ich mich bückte, um da hinein zu sehen, versetzte mir der Knecht mit dem Hammer einen Schlag auf den Kopf, daß ich niederbrach.“
„Aber, Sir, hattet Ihr denn gar kein Mißtrauen gefaßt?“
„Nein. Seht Euch nur diesen Kara Nirwan an und sagt mir dann, ob es Euch möglich sei, ihn für einen solchen Halunken zu halten! Er hat ein so ehrliches Gesicht, daß man ihm sofort das größte Vertrauen schenken muß. Ich habe erst hier erfahren, daß
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