Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
er der Schut ist.“
    „Nun, hoffentlich bekomme ich ihn auch zu sehen und da werde ich mir seine Physiognomie genau betrachten. Weiter!“
    „Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich allein. Die Hände hatte ich frei; die Füße steckten in eisernen Ringen, welche in den Boden eingelassen waren. Unter mir, rechts, links und hinter mir hatte ich Fels. Die Decke konnte ich mit dem Arm nicht erreichen, da es mir nicht möglich war, aufzustehen. Ich konnte nur sitzen oder liegen – ich war gefangen!“
    „Eine sehr energische, aber nicht ganz unverdiente Bestrafung Eurer Unvorsichtigkeit! Wie war Euch denn zumute? Was dachtet Ihr?“
    „Das könnt Ihr Euch doch denken. Ich habe geflucht und gebetet; ich habe stundenlang gerufen und gebrüllt, ohne daß jemand auf mich hörte. Ich fand, daß ich vollständig ausgeraubt sei. Nicht einmal die Uhr hatte man mir gelassen, und auch der Hut war weg.“
    „Nun, über den hohen, grauen Zylinderhut werdet Ihr Euch leicht trösten, obgleich Ihr den Ritt hierher nun ohne Kopfbedeckung gemacht habt. Und was die Uhr betrifft, so werdet Ihr doch nicht erwarten, daß ein Räuber Euch ein so kostbares, mit Brillanten besetztes Prachtstück lassen wird, nur daß Ihr in einer durchaus finstern Zelle nach der Zeit sehen könnt.“
    „Ich hätte sie repetieren lassen. Nun aber wußte ich nicht, wie lange ich ohne Besinnung gelegen hatte. Welche Zeit ich nun wartete, bis jemand erschien, das kann ich nicht bestimmen. Endlich wurde die Tür geöffnet. Draußen stand der Schut. Er hatte ein Licht, Tinte, Papier, Feder, mein Buch und einen Zettel. Dies alles setzte und legte er vor mich hin. Mit zwei Pistolen hielt er mich in Schach, daß ich mich nicht an ihm vergreifen würde, da ich ja die Hände frei hatte. Mit Hilfe der Auszüge, welche er aus meinem Buch auf den Zettel gemacht hatte, erfuhr ich, daß ich sterben müsse, wenn ich ihm nicht eine Anweisung auf zwei und ein halbes Hunderttausend Piaster gebe. Diese Anweisung sollte ich auf das Papier schreiben. Er zog dabei den mir abgenommenen Siegelring aus der Tasche und ein Stück Petschierlack dazu.“
    „Das sind fast sechzehntausend Taler. Das Geschäft dieses Mannes wäre ein ganz ausgezeichnetes, wenn er öfter solche Vögel finge und auch wirklich Geld erhielte. Ihr habt Euch aber geweigert, darauf einzugehen?“
    „Wie sich das ganz von selbst versteht. Er kam noch einige Male, aber mit demselben Mißerfolg. Er brüllte mich türkisch oder armenisch, meinetwegen auch persisch an, und ich antwortete englisch. Wir verstanden die Worte nicht, aber wir wußten sehr wohl, was sie zu bedeuten hatten. Endlich kam er noch einmal und brachte den erwähnten Knecht wieder mit. Die Hände wurden mir gebunden und die Füße aus den Klammern befreiet. Man fesselte sie mir wieder zusammen; dann bekam ich ein Tuch um die Augen und wurde fortgeschleppt.“
    „Wohin? Wieder durch den Stollen?“
    „Nein. Es ging durch mehrere Kammern und Gänge, wie ich an dem Schall ihrer Schritte erkannte. Ich selbst konnte nicht gehen – ich wurde getragen. Dann legte man mich nieder. Ich ward an einen Strick gebunden und eine ganze Zeitlang, welche mir wie eine Ewigkeit erschien, emporgezogen.“
    „Ah! So gibt es also doch einen Schacht! Wenn Ihr nur die Mündung desselben gesehen hättet!“
    „Wartet nur! Oben, als ich frische Luft spürte, wurde ich niedergelegt. Menschen sprachen leise miteinander, und ich hörte das Schnauben von Pferden. Dann wurden mir die Fußfesseln gelöst. Man hob mich in einen Sattel und band mir die Füße mit einem Strick zusammen, welcher unter dem Leib des Pferdes hinlief. Dabei war das Tuch ein wenig emporgerutscht, und ich konnte sehen, wenn auch nicht viel. Ich sah Häusertrümmer und einen starken, runden Turm, welcher wohl der Karaul gewesen sein mag. Sonst gab es rundum Wald.“
    „Also mündet der Schacht bei den Trümmern in der Nähe des Turmes, wie ich's mir dachte.“
    „So ist es. Ich wurde fortgeschafft, wohin und in welcher Gesellschaft, das wißt Ihr ja.“
    „Behieltet Ihr das Tuch noch lange um die Augen?“
    „Erst kurz vor unserer Ankunft hier wurde es mir abgenommen, da es indessen dunkel geworden war und ich doch nicht sehen konnte. Das übrige brauche ich nicht zu erzählen.“
    „Und wie war es denn mit Ihnen?“ fragte ich den Dragoman. „Das Verschwinden des Lords muß Euch doch aufgefallen sein?“
    „O nein“, antwortete er. „Ich sah ihn zwar nicht, als ich erwachte; aber

Weitere Kostenlose Bücher