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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beieinander, welche den Kara-Nirwan-Khan bildeten, nach dem wir so lange gesucht hatten und welchen wir nun endlich vor uns sahen.
    Das Hauptgebäude stand links an der Straße, die Nebengebäude befanden sich rechts. Letztere bildeten einen sehr großen Hof, in welchen ein breites, steinernes Tor führte. Dieses Tor war verschlossen. Vor demselben und vor dem Eingang des Hauptgebäudes standen wohl vier bis fünf Dutzend Menschen beiderlei Geschlechts. Es schien, daß man ihnen verwehrt habe, einzutreten. Sie empfingen uns still. Ich hörte kein Wort sprechen. Die Gesichter waren zwar nicht drohend, aber auch nicht freundlich: auf allen war der Ausdruck großer Spannung deutlich zu lesen.
    Wir wendeten uns links nach dem Wohnhaus, dessen Tür uns trotz unseres Klopfens nicht geöffnet wurde. Halef ging nach der hinteren Seite und meldete uns nach seiner Rückkehr, daß auch dort die Tür von innen verriegelt sei.
    „Befiehl, daß uns geöffnet werde!“ gebot ich dem Schut. „Sonst öffnen wir uns selbst!“
    „Ich habe dich nicht zu mir eingeladen“, antwortete er. „Ich verbiete euch, in mein Haus zu treten.“
    Da nahm ich den Bärentöter her. Einige Hiebe mit dem eisenbeschlagenen Kolben desselben, und die Tür ging in Stücke. Der Schut stieß einen Fluch aus. Die Menge drängte herbei, um mit uns in das Haus zu kommen. Ich aber bat Ranko, mit seinen fünf Reitern hier zurückzubleiben und dafür zu sorgen, daß kein Unberechtigter eintrete. Dann begaben wir uns in das Innere des Gebäudes.
    Der Flur war leer. Wir sahen keinen Menschen. Es gab hier nicht verstellbare geflochtene Wände, sondern feste Ziegelmauern. Rechts und links lagen je zwei Stuben, welche nicht verschlossen waren. Auch sie waren leer. Ihrer Einrichtung nach mußte ich annehmen, daß die beiden vorderen Stuben zur Aufnahme der Gäste bestimmt seien. Links hinten wohnte wahrscheinlich die Familie des Schut; rechts hielt sich wohl das Gesinde auf. Als ich die Hintertür öffnete, sah ich, daß dieselbe direkt auf freies Brachland führte. In ihrer Nähe führte innerhalb des Flures eine schmale Holztreppe nach oben. Ich stieg ganz allein hinauf in den Dachraum, welcher aus drei Abteilungen bestand. Die mittlere derselben, in welche die Treppe mündete, enthielt allerlei Gerümpel. Von den Dachbalken hingen dichte Reihen getrockneter Maiskolben und Zwiebeln herab. Die beiden anderen Abteilungen wurden von Giebelstuben gebildet, welche durch dünne Bretterwände von der Mitte getrennt waren. Ich klopfte an die eine Tür, erhielt aber keine Antwort. Da nahm ich abermals den Gewehrkolben zu Hilfe und stieß ein Brett ein. Nun sah ich, daß die Kammer leer war. Auch drüben an der andern Seite wurde auf mein Klopfen nicht geantwortet. Durch ein Astloch schauend, gewahrte ich eine Frau, welche auf einer Kiste saß.
    „Mach auf, sonst schlage ich die Tür ein!“ drohte ich.
    Da auch dieser Zuruf nicht beachtet wurde, so stieß ich ein Brett ein, griff durch die Öffnung und schob den Türriegel zurück. Ich wurde durch ein mehrstimmiges Gekreisch empfangen. Die Frau, welche ich gesehen hatte, war vielleicht fünfunddreißig Jahre alt. Bei ihr befanden sich zwei alte Weiber. Alle drei waren gut gekleidet. Ich war überzeugt, die Frau des Schut, die Schuta, vor mir zu haben. Sie hatte sich von ihrem Sitz erhoben und in die Ecke geflüchtet. Von den beiden andern flankiert, rief sie mir zornig-trotzig entgegen:
    „Was fällt dir ein! Wie darfst du es wagen, auf diese Weise bei uns einzudringen!“
    „Weil es auf eine andere Weise nicht möglich war“, antwortete ich. „Ich habe noch nie einen Khan gesehen, welchen man am hellen Tag vor den Gästen verschließt.“
    „Du bist kein Gast.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich weiß, was geschehen ist. Man hat es mir berichtet, und übrigens sah ich euch kommen.“
    Sie deutete nach der runden Maueröffnung in der Giebelwand. Da diese nach dem Dorf gerichtet war, hatte man uns also sehr gut bemerken können.
    „Für wen hältst du mich denn?“ fragte ich weiter.
    „Du bist der größte, der schlimmste Feind meines Mannes.“
    „Deines Mannes? Wer ist das?“
    „Der Wirt.“
    „Also bist du die Wirtin! Aus welchem Grund hältst du mich denn für euern Feind?“
    „Weil du meinen Mann gefangengenommen hast, weil du ihn überhaupt seit langer Zeit verfolgst.“
    „Das alles weißt du bereits? So wirst du dich jedenfalls auf meinen Besuch vorbereitet haben. Sage mir einmal: bist du nicht

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