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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Menschen überfällt, kann noch bewundert werden; du aber bist ein Feigling, welchen man verachten muß. Du besitzt nicht eine Spur von Mut. Du wagst nicht, es einzugestehen, wer du bist. Tfu haif 'alaik! (Pfui, Schande über dich!) Ein Hund sollte sich hüten, dich anzubellen, denn das ist viel zu viel Ehre für dich!“
    Bei diesen Worten spuckte ich vor ihm aus. Das brachte die beabsichtigte Wirkung hervor. Er brüllte grimmig:
    „Schweig! Wenn du sehen willst, ob ich feig bin oder nicht, so nimm meine Fesseln ab und kämpfe mit mir! Dann sollst du erfahren, welch ein Wurm du gegen mich bist!“
    „Ja, in Worten bist du tapfer, aber nicht in der Tat. Bist du nicht vor uns geflohen, als du uns im Schacht erblicktest?“
    „Ihr wart in der Überzahl.“
    „Ich habe ganz allein deine Verbündeten besiegt, obgleich sie auch in der Überzahl waren. Und bist du mir nicht entflohen, als ich ganz allein im Kahn mit dir kämpfte? War das Mut von dir? Und als wir dann miteinander das Ufer erreichten, warst du da gefesselt? Hast du mir gezeigt, daß ich ein Wurm gegen dich bin, oder habe nicht ich dich niedergeschlagen wie einen Knaben? Rede ja nicht von Mut! Alle deine Spießgesellen, die beiden Aladschy, der Miridit, Manach el Barscha, Barud el Amasat, der alte Mübarek, haben mir offen gezeigt, daß sie meine Feinde waren, daß sie Räuber und Mörder seien; du allein hast nicht das Herz dazu. Du kannst nur drohen, weiter nichts. Du besitzest das Herz eines Hasen, welcher davoneilt, wenn er die Meute hört. Du bist ein Adschemi, ein Perser aus Nirwan. Ich kenne diesen Ort, denn ich bin dort gewesen. Die Nirwani fressen Krötenfleisch und werden dann, wenn sie davon fett geworden, von den Läusen verzehrt. Kommt ein Nirwani nach einem andern persischen Ort, so rufen die Bewohner desselben: ‚Tufu Nirwanost! Nirwanan dschabandaranend; ora bazad – pfui, einer aus Nirwan! Die Nirwani sind Feiglinge; speit ihn an!‘ Grad so muß man auch von dir und zu dir sagen, denn du hast nicht das Herz zu gestehen, wer du bist. Deine Eingeweide zittern vor Angst, und deine Knie schlotter vor Schwäche, daß ein Wort des Zorns dich umblasen könnte!“
    Solche Beleidigungen waren ihm noch nicht in das Gesicht geschleudert worden. Er zitterte wirklich, aber nicht vor Angst, sondern vor Grimm. Da tat er einen Sprung auf mich zu, stieß mit dem Fuß nach mir und antwortete in demselben persischen Dialekt, dessen ich mich bedient hatte:
    „Gur, dzabaz, bisaman, dihdschet efza, gatar biz, gar riz – Schurke, Bube, Dummkopf, du bist zum Lachen! Du verbreitest Gestank und streust die Krätze umher! Kein Mensch sollte mit dir sprechen. Deine Rede ist Tollheit, und deine Worte sind Lügen. Du nennst mich feig? Wohlan, so will ich dir zeigen, daß ich mich nicht fürchte.“
    Und zu den andern gewendet, fuhr er in türkischer Sprache fort:
    „Ihr sollt mich nicht für einen Feigling halten. Ich will euch sagen, daß ich der Schut bin. Ja, ich habe diese drei Männer in dem Schacht eingeschlossen, um mir viel Geld von ihnen geben zu lassen und sie dann zu töten. Aber wehe und dreifach wehe über jeden, der es wagt, mir ein Haar zu krümmen! Meine Leute zählen nach Hunderten und werden alles, was mir geschieht, entsetzlich rächen. Dieser Hund aus Germanistan wird zuerst meiner Rache verfallen; er wird an der Räude verenden und noch demjenigen danken, der ihn mit einem Knüppel von seinen Qualen erlöst. Kommt herbei und bindet mir die Hände los! Ich werde es euch reich lohnen, und dann soll –“
    Er kam nicht weiter, denn Halef trat an ihn heran, gab ihm eine Ohrfeige, daß er taumelte, und rief ihm zu:
    „Das ist für den Hund und für die Räude, und wenn du nun noch ein einziges Wort sagst, Sefil bodur (elender Wicht), so haue ich dich mit der Peitsche, daß deine Knochen meilenweit umherfliegen! Schafft ihn fort, den Schurken! Ich werde mit der Peitsche hinter ihm hergehen, und für jeden Laut, welchen er ohne Erlaubnis des Effendi hören läßt, fährt ihm ein Hieb ins Fleisch!“
    Das war sehr ernstlich gemeint, und ich hatte auch gar nichts dagegen. In der Lage, in welcher der Perser sich befand, war es eine unsägliche Frechheit, sich solcher Reden zu bedienen. Die Hauptsache war freilich, daß ich meinen Zweck erreicht hatte: er hatte eingestanden, daß er der Schut sei. Nun durfte ihn niemand mehr in Schutz nehmen, wenigstens nicht in offener Weise.
    Er biß sich in die Lippen, wagte aber nicht, wieder zu sprechen. Der

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