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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ländern. Wir werden in dieselben zurückkehren und nie wieder hierherkommen. Darum ist es uns ziemlich gleichgültig, wer durch euch hier beschädigt wurde und ob ihr dafür bestraft werdet. Weniger gleichgültig freilich ist uns alles, was ihr gegen uns unternommen habt. Da wir aber glücklicherweise mit dem Leben davongekommen sind, so fühlen wir uns zur Nachsicht geneigt, falls uns der Schaden ersetzt wird, welchen wir erlitten haben. Du kannst das deinige beitragen, daß dieses geschehe.“
    „So viel ich weiß, hast du keinen Schaden gehabt.“
    „Du scheinst wirklich ganz genau unterrichtet zu sein. Ja, den indirekten Schaden will ich nicht rechnen. Aber ihr habt den Engländer und auch den Kaufmann Galingré ausgeraubt. Ich hoffe, es ist noch alles vorhanden, was ihr ihnen abgenommen habt?“
    Sie blickte, ohne zu antworten, nachdenklich vor sich nieder. Ihre Züge bewegten sich lebhaft. Es war ihr anzusehen, daß ein Kampf sich ihres Innern bemächtigt hatte. Aber ich traute ihr nicht zu, den für mich vorteilhaften Entschluß zu fassen. Auch hatte ich keine Zeit, mit vielen Worten in sie zu dringen, und wiederholte darum meine letzte Frage in dringendem Ton.
    Da erhob sie langsam den Blick, sah mich auf eine ganz eigentümliche, mir rätselhafte Weise an und antwortete:
    „Ja, Herr, ich glaube, es ist noch alles vorhanden.“
    „Aber wo?“
    „Im Jazlyk (Schreibstube, Comptoir) meines Mannes.“
    „Halt ein!“ rief ihre Mutter erschrocken. „Willst du wirklich deinen Mann verraten? Willst du alles hergeben, was nun euer Eigentum geworden ist?“
    „Sei still! Ich weiß, was ich tue“, antwortete die Tochter. „Dieser Mann hat recht. Wir haben unrecht getan und müssen unsere Strafe leiden; aber diese Strafe wird um so geringer werden, je früher wir das Geschehene gutzumachen versuchen.“
    Das war ja eine außerordentlich eilige Bekehrung! Konnte ich an dieselbe glauben? Unmöglich! Zumal mir das Gesicht, welches die Frau während ihrer Worte machte, gar nicht gefallen wollte. Sie nickte den beiden Alten beruhigend zu und blinzelte dabei mit den Augen.
    „Wo befindet sich das Jazlyk?“ fragte ich.
    „Drüben im Hof. Du wirst es an der Inschrift über der Tür erkennen.“
    „Und natürlich sind die Sachen und das Geld dort nicht nur aufgehoben, sondern verborgen?“
    „Ja. Solche Beute legt man doch nicht in den Geldkasten.“
    „Beschreibe mir das Versteck.“
    „Du wirst den Sandyk (Kasse, Geldschrank) an der Wand hängen sehen. Nimm ihn herab, so befindet sich hinter demselben ein Loch in der Mauer, in welchem du alle Gegenstände sehen wirst, welche dem Engländer und dem Kaufmann genommen worden sind.“
    „Wenn du mich täuschen solltest, so würdest du deine Lage nur verschlimmern. Übrigens weiß ich, daß sich vierundzwanzig Männer hier befinden, welche uns unschädlich machen sollen.“
    Sie erbleichte. Mutter und Tante ließen Ausrufe des Schreckens hören. Die Wirtin warf ihnen einen zornigen Blick zu und sagte:
    „Herr, man hat dich belogen!“
    „Nein. Niemand hat es mir gesagt, also kann ich nicht belogen worden sein. Ich habe es selbst beobachtet.“
    „So hast du dich geirrt.“
    „Nein. Ich weiß ganz genau, daß sie sich hier befinden.“
    „Und doch ist dies nicht der Fall. Ja, ich will eingestehen, daß ungefähr so viele Männer bereit waren, euch entgegen zu gehen, aber nicht hier, sondern draußen am Karaul.“
    „Befinden sie sich noch dort?“
    „Ja. Sie dachten, ihr würdet erst dorthin gehen, bevor ihr hierher in den Khan kämet.“
    „Sind sie zu Pferd?“
    „Nein. Was könnten ihnen die Pferde im Kampfe gegen euch nützen?“
    „Gut. Und wo sind eure Knechte?“
    „Eben bei diesen Leuten. Wir haben zwölf Knechte, weil wir so viele zu den Pferden haben müssen, welche bei uns stets zum Verkauf stehen.“
    „Und die andern zwölf?“
    „Sind Leute von hier.“
    „Welche deinem Mann als dem Schut untertänig sind?“
    „Ja.“
    Sie sagte diese Antworten schnell, ohne sich zu besinnen und im Ton und mit der Miene größter Aufrichtigkeit. Aber ich konnte und durfte ihr nicht trauen. Ich sah wohl ein, daß es vergeblich gewesen wäre, noch weiteres aus ihr zu erforschen. Ich mußte ja annehmen, daß sie mir auch bis jetzt nicht die Wahrheit gesagt habe. Darum erhob ich mich von der Kiste und sagte:
    „Aus deiner Aufrichtigkeit ersehe ich, daß ich dich den Richtern zur Milde empfehlen kann. Ich gehe jetzt hinab. Ihr werdet diesen Raum nicht

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