17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
nichts geschehen war. Die drei Reiter waren jedenfalls der Perser, Hamd el Amasat und der Schwiegersohn Galingrés. Die beiden Frauen saßen im Wagen.
Schon war es mir möglich, den englischen Rappen des Schut mit bloßem Auge zu erkennen. Da aber drehte er sich um und sah uns kommen. Wir waren wohl noch eine Viertelwegstunde von ihnen entfernt. Ich sah, daß er sein Pferd anhielt. Hamd el Amasat tat dasselbe. Einige Sekunden lang blickten sie nach uns her; dann aber galoppierten sie, den Wagen im Stich lassend, von dannen, aber nicht miteinander in einer und derselben Richtung. Sie wollten uns teilen. Der Schut ritt gradaus; der andere jagte nach links hin von dannen.
Ich hatte befürchtet, daß sie bei unserm Anblick aus Wut den Schwiegersohn und die Frauen erschießen würden. Daß sie es nicht taten, war ein großes Glück.
Indem ich jetzt zurückblickte, sah ich die andern weit hinter mir; aber meine Stimme konnte sie doch erreichen. Nach links hinüber deutend, rief ich ihnen zu:
„Nehmt den da drüben! Es ist Hamd el Amasat. Den Schut nehmen wir beide!“
„Schneller, schneller, Ranko!“ forderte ich dann den Skipetaren auf.
Er gab seinem Goldfuchs die Sporen und schlug mit der Peitsche auf ihn ein. Dies und wohl noch mehr der Ehrgeiz des Pferdes trieb dasselbe zur Anstrengung aller seiner Kräfte; er schoß meinem Hengst voraus. Dieser hatte es aber kaum gesehen, so tat er, nicht von mir angetrieben, einige Sätze und überholte den Fuchs. Rih duldete kein Pferd vor sich.
Jetzt erreichten wir den Wagen. Der Schwiegersohn hielt bei demselben; er wußte nicht, woran er war. Er konnte sich nicht erklären, weshalb er von seinen beiden Begleitern so plötzlich verlassen worden war.
„Das waren Mörder!“ rief ich ihm zu, indem wir an ihm vorüberschossen.
Was diese Worte für einen Eindruck auf ihn machten, konnte ich nicht sehen, denn kaum hatte ich sie ausgesprochen, so waren wir schon weit über ihn hinaus. Mich abermals umdrehend, sah ich, daß die Gefährten mich verstanden hatten und Hamd el Amasat folgten, die beiden Schecken allen voraus.
Nur Galingré hatte die ursprüngliche Richtung beibehalten, was ihm freilich nicht zu verübeln war. Ihm lag vor allen Dingen daran, sich zu überzeugen, wie sich die Glieder seiner Familie befanden. Übrigens brauchten wir ihn gar nicht.
Bis jetzt hatte der Schut seinen Vorsprung beibehalten; wir waren ihm nicht näher gekommen, obgleich Ranko seinen Goldfuchs fortwährend antrieb.
„Effendi, wir bekommen ihn nicht!“ rief er mir zu. „Sein Engländer ist uns überlegen.“
„Oho! Paß einmal auf! Du kennst meinen Schwarzen noch nicht.“
Ich erhob mich in den Bügeln. Weiter tat ich nichts, denn das ‚Geheimnis‘ in Anwendung zu bringen, dazu gab es noch keine Veranlassung. Aber diese einzige Bewegung genügte. Rih merkte, daß ich ihm die Last erleichtern wollte. Das beleidigte sein Selbstgefühl, und er griff noch weiter, viel weiter aus.
Es war, als ob der Boden hinter uns nur so verschwände. Wer da kein sehr guter Reiter war, dem konnte schwindelig werden. Der Hengst schoß nicht etwa in bemerkbaren Absätzen oder Intervallen vorwärts; nein, man fühlte gar nicht, daß er die Beine bewegte. Sein Leib beschrieb eine schnurgrade Linie, die kaum einen halben Zoll breit auf und nieder schwankte. Und doch war dies noch nicht das Höchste, was er leisten konnte.
Ranko blieb weit hinter mir zurück, und ich sah, daß ich jeden Augenblick dem Schut näher kam. Erst war er über einen halben Kilometer vor mir gewesen; jetzt war es nur noch die Hälfte davon, dann zweihundert Meter – hundertfünfzig – hundert Meter. Er sah sich nach mir um und stieß einen Schrei des Schreckens aus. Er begann, sein Pferd mit Kolbenstößen anzufeuern. Es tat alles, was es leisten konnte, das brave Tier. Den Kopf waagrecht vorstreckend, schoß es in sichtbaren Sprüngen weiter. Der Schaum troff ihm vom Maul und die Haut begann, schweißig zu glänzen. Das war kein gutes Zeichen für den Schut. Sein Rappe war dem meinen bei weitem nicht gewachsen. Bei Rih war keine Spur von Schaum oder Schweiß zu bemerken. Ich hätte noch eine Viertelstunde in dieser Weise mit ihm jagen können, ohne daß er zu schwitzen oder zu schäumen begonnen hätte. Aber freilich war ich gewöhnt, auf sein Wohlbefinden noch mehr zu sehen, als auf das meinige.
Jetzt ging ich mit mir zu Rate, was ich tun sollte. Schießen? Das war das Schnellste und Sicherste. Mein Bärentöter trug ja
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