17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
du mehr als ein Schaf und eine Ziege haben. Siehe diese Silberstücke! Sie geben zusammen zweihundert Piaster. Davon kannst du dir wenigstens vier Schafe und vier Ziegen kaufen, wenn du dir das Geld nicht von schlechten Menschen nehmen läßt.“
„Nehmen lassen? Da sollte mir einer kommen! Ich würde zum Papaz (Pope) gehen, der mir helfen würde. Aber du machst nur Scherz. Da wären wir doch steinreiche Leute, ich und meine Schwester, die da am Feuer steht.“
„So habt ihr einen Papaz hier?“
„Ja, und einen sehr guten, der mir oft zu essen gibt. Ich bin ein Christ.“
Er sagte dies mit wirklichem Stolz. Ich zog mein Notizbuch heraus, riß ein Blatt los und schrieb einige Zeilen darauf, die ich ihm mit der Bemerkung gab:
„Wenn jemand sagen sollte, daß du die zweihundert und zwanzig Piaster nicht ehrlich erworben habest; wenn man dir also das Geld nehmen will, so gibst du dem Papaz diesen Zettel. Er enthält die Bescheinigung und meine Unterschrift, daß ich es dir geschenkt habe.“
Bevor ich schrieb, hatte ich ihm das Geld in die Hände gegeben. Er stand ganz steif da, die Hände weit von sich gestreckt, mich ungläubig anstarrend. Ich legte den Zettel auf das Geld, wendete mich um, ging hinaus und stieg aufs Pferd. Da kam er nachgesprungen und schrie jubelnd:
„Soll das wirklich mein sein?“
„Ja, gewiß!“
„Mein und meiner Schwester, die drin am Feuer steht?“
„Natürlich! Aber schrei nicht so! Du hast uns versprochen, uns nach der Straße zu bringen, und wir haben keine Zeit, zu warten.“
„Gleich, gleich, ich komme ja schon, ich komme!“
Er hielt das Geld und den Zettel noch immer in den Händen. Er trug es hinein zu der ‚Lieblichsten der Töchter‘, um mit Halef zu reden, die ‚dort am Feuer stand‘, und kehrte dann zurück. Er wollte seinem Entzücken durch viele Worte Luft machen; aber ich verbot es ihm, und so schritt er denn still vor uns her. Wir hatten mit einer kleinen Gabe zwei Menschen glücklich gemacht.
Nachdem wir an zwei oder drei kleinen Gebäuden vorübergekommen waren, ging es auf einer hölzernen Bockbrücke über die Joska. Dann kam das eigentliche Dorf. Es begegneten uns einige dunkle Gestalten, welche erstaunt stehenblieben; angesprochen wurden wir nicht. So kamen wir an das Ende des Dorfes, wo wir die Straße erreichten und uns von unserm Beschützer verabschiedeten. Als wir ein Stück fort waren, so daß ich es ihm nicht verbieten konnte, rief er uns noch nach:
„Bin defa Schükr weririz, ben we kyz kardaschim, odada ateschda durmak olan – wir danken euch tausendmal, ich und meine Schwester, welche drin am Feuer steht!“
Jetzt hatten wir finstere Nacht vor uns. Ich kannte die andern Pferde noch nicht genau, aber auf Rih konnte ich mich verlassen. Er wich sicher nicht von dem Weg ab, wenn ich ihm die Zügel ließ. Darum setzte ich mich an die Spitze unseres Trupps, legte die Zügel auf den Sattelknopf und ließ meinen Schwarzen laufen.
Es ging bergan, dann eben fort und dann wieder bergab, immer wieder durch Gebüsch oder Wald. Hätte der Schut hier auf uns gelauert, so hätte er einige von uns aus dem Sattel schießen können. Ich dachte daran und strengte Augen und Ohren an, glücklicherweise ohne Grund.
Nach mehr als zwei Stunden erreichen wir das erste Dorf. Es war doch jedenfalls besser, einen Führer zu haben. Ranko hatte zwar behauptet, die Gegend zu kennen, aber, wie ich vermutete, mehr aus dem Grund, überhaupt mitreiten zu dürfen. Überdies war es so finster, und der Mond ging erst später auf. Wenn wir uns verirrten, konnte der Schut seinen Zweck erreichen, bevor wir den rechten Weg fanden. Ich fragte also einen uns begegnenden Menschen, ob wir einen Führer haben könnten, gegen gute Bezahlung natürlich. An den Schäfer wollte ich mich nicht wenden. Der Mann bot sich uns selbst an. Er sagte, daß er uns für zehn Piaster bis zum Newera-Khan führen werde, falls wir so lange Zeit hätten, zu warten, bis er sein Pferd geholt habe. Wir sagten zu, und es währte nur einige Minuten, bis er sich wieder bei uns einstellte.
Freilich mußten wir vorsichtig sein, denn wir kannten den Menschen nicht. Er konnte von dem Schut beauftragt sein, den Dorfweg auf und ab zu patrouillieren, um uns zu erwarten und falsch zu führen. Darum nahmen wir ihn in die Mitte, und ich versprach ihm zwanzig Piaster, wenn er ehrlich sei, und eine Kugel in den Kopf, falls er uns täusche.
Wieder durch Wald und Gebüsch reitend, gelangten wir nach fast drei
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