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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber je tiefer dieser Blick nach innen dringt, desto mehr sieht man ein, daß der Mensch nichts ist, als ein zerbrechliches Gefäß, mit Schwächen und Fehlern und – Hochmut gefüllt!
    Als ich dann zurückkam, wurde von der Familie Galingré und Ranko Abschied genommen. Diesem letzteren gaben wir das Packpferd wieder mit. Wir brauchten es nicht. Nachdem sich die Wagen in Bewegung gesetzt hatten, standen wir und blickten ihnen nach, bis sie im Osten verschwanden. Dann stiegen wir auf. Weder der Wirt noch einer seiner Leute ließ sich sehen. Sie waren froh, uns aufbrechen zu sehen, und hüteten sich wohl, ein Ade zu erhalten, welches jedenfalls nichts weniger als freundlich geklungen hätte.
    So verließen wir denn still den Ort, welcher das letzte Ereignis unserer langen, langen Reise gesehen hatte. Nach einer Viertelstunde ging die kahle Ebene zu Ende und der Wald umfing uns wieder mit seinen grünen Armen. Halef, Omar und Osco machen sehr freundliche, zufriedene Gesichter. Der Hadschi blickte mich oft von der Seite an, als ob er mir etwas Freudiges mitzuteilen habe. Osco hatte sein mit silbernen Borden verbrämtes Mindan (Jacke) vorn weit offen stehen, was ganz gegen seine Gewohnheit war. Ich bemerkte sehr bald den Grund. Er wollte die breite, goldene Kette sehenlassen, welche an seiner Weste hing. Er hatte also die Uhr Galingrés zum Geschenk erhalten.
    Als er den Blick bemerkte, welchen ich auf die Kette warf, schilderte er mir seine Freude, ein so wertvolles Andenken erhalten zu haben. Das öffnete dem Kleinen endlich den Mund.
    „Ja, Sihdi“, sagte er, „der Franzose muß sehr reich sein, denn er hat uns mit Papieren bedacht, auf welchen Wappen und Ziffern zu lesen sind.“
    Er meinte wohl Banknoten.
    „Was sind es für Papiere?“ fragte ich. „Wohl Rechnungen, welche ihr aus euern Taschen für ihn bezahlen sollt?“
    „Was denkst du von ihm! Er wird seine Schulden von uns bezahlen lassen! So ein Mann, wie er, ist überhaupt keinem Menschen etwas schuldig. So ein Mann, wie er, ist überhaupt keinem Menschen etwas schuldig. Nein, was wir erhalten haben, das sind Geldzettel, wie man sie im Abendland anstatt des Goldes und Silbers hat. Ich habe mehrere solcher Zettel, und er hat sie mir für Hanneh, die Schönste und Freundlichste unter den Frauen und Töchtern, gegeben.“
    „Und du willst sie ihr mitnehmen?“
    „Natürlich!“
    „Das wäre nicht klug von dir, Halef. Im Land der Schammar und Haddedihn kannst du sie nicht in Gold oder Silber umwechseln. Das mußt du hier in Skutari tun.“
    „Aber wird man mich da nicht betrügen? Ich weiß nicht, welchen Wert diese Zettel besitzen.“
    „Das kann ich dir gleich sagen; auch werde ich mit dir zum Geldwechsler gehen. Zeige sie mir einmal!“
    Er zog schmunzelnd seinen Beutel hervor, öffnete ihn und reichte mir die ‚Geldzettel‘ hin. Es waren englische Banknoten. Galingré hatte ihm wirklich ein sehr nobles Geschenk gemacht.
    „Nun?“ fragte Halef. „Sind es hundert Piaster?“
    „Viel, viel mehr, mein Lieber! Du kannst die Summe gar nicht erraten. Diese Banknoten haben einen Wert von mehr als zwölftausend Piaster. Du würdest dreitausend Franken dafür bekommen, wenn du französisches Geld haben wolltest. Ich rate dir aber, lieber Maria-Theresienthaler zu nehmen, wenn du sie bekommen kannst, denn diese gelten dort, wo Hanneh, die prächtigste der Blumen, duftet.“
    Er sah mich wortlos an und schüttelte den Kopf. Ein solches Geschenk ging über seinen kleinen finanziellen Horizont. Omar zog schnell auch seinen Beutel hervor. Er hatte mehr erhalten. Als Franzose hatte Galingré zwar englisches Geld gegeben, aber nach französischen Werten gerechnet, wie ich wohl bemerkte. Omar hatte fünftausend Franken erhalten, eine ungeheure Summe für diese beiden anspruchslosen Leute! Das waren fürstliche Geschenke! Aber Galingré war von der sehr richtigen Überzeugung ausgegangen, daß er und die Seinen ohne uns nicht mehr leben würden, was waren schließlich achttausend Franks für einen Mann, der ein solches Vermögen besaß!
    Natürlich ergingen sich die beiden in Ausrufungen des größten Glückes.
    „Welch ein Reichtum!“ rief Halef. „Hanneh, die Geliebte meiner Seele, ist von diesem Augenblick das vornehmste Weib unter allen Frauen und Enkelinnen der Ateïbeh und Haddedihn. Sie kann fragen, was die Herden sämtlicher Stämme der Schammar kosten, und sich mit Seide aus Hindistan bekleiden und ihr schönes Haar mit Perlen und Edelsteinen

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