17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
sich zur Fratze. Seine Brust wogte und sein Atem flog.
„Ja mlahjiki, ja schijatin“, zischte er, „laisch ana jasihr – o ihr Engel, o ihr Teufel, warum bin ich gefangen! Hätte ich meine Hände frei, so würde ich euch erwürgen, euch alle – alle!“
„Du sollst deinen Willen haben“, antwortete Omar. „Du hast dir dein Urteil selbst gesprochen. Du sollst erwürgt werden ohne Gnade und ohne Barmherzigkeit. Effendi, hast du noch mit ihm zu sprechen?“
„Nein“, antwortete ich. „Er hat nicht geleugnet. Ich bin fertig mit ihm.“
„So fordere ich, daß du ihn mir überläßt!“
„Es sind noch andere da, welche Anspruch auf ihn machen können.“
„Aber mein Anspruch ist der größte und älteste. Wer will sich melden, um ihn mir zu entreißen?“
Er sah sich im Kreise um. Niemand antwortete. Was sollte ich machen? Ich wußte, daß weder eine Bitte, noch Drohung, noch ein Befehl beachtet worden wäre. Doch fragte ich:
„Willst du ihn feig ermorden? Willst du –“
„Nein, nein!“ fiel er mir in die Rede. „Osco hat den Bruder dieses Menschen nicht ermordet, sondern ehrlich und stolz mit ihm gekämpft. Das werde auch ich tun. Ich bin kein Henker. Bindet ihn los! Ich lege meine Waffen ab. Er will mich erwürgen; nun, er mag kommen! Gelingt es ihm, mich zu töten, so mag er frei sein und gehen können, wohin er will.“
Also ein Duell! Ein schauriges zwar, aber doch ein – Duell. Meine Ansicht über das Duell, welches ich allerdings verwerfe, war hier gleichgültig. Wenn die höchststehenden Vertreter der Zivilisation sich wegen eines schnellen Wortes nach dem Leben trachten und es für eine Ehrlosigkeit halten, dies nicht zu tun, durfte ich da diesen ungebildeten Araber verdammen, wenn er Genugtuung vom Mörder seines Vaters verlangte? Ich sagte nichts und trat zurück.
„Ja, nehmt mir die Fessel ab!“ schrie Hamd el Amasat. „Ich werde den Schurken erwürgen, daß seine Seele nicht aus dem Leib und zur Hölle fahren kann!“
Omar entledigte sich seiner Waffen und stellte sich in die Mitte der Stube. Alle an den Tischen Sitzenden standen auf und zogen sich in die Ecken zurück. Die Damen Galingré versteckten sich so, daß sie nichts sehen konnten. Ich stellte mich an die Tür, um Hamd el Amasat den Ausgang zu verwehren, falls er sich dem Kampf durch die Flucht entziehen wollte. Aber das schien ihm gar nicht einzufallen. Er keuchte förmlich vor Verlangen, frei zu werden und sich auf den Gegner zu werfen.
Halef band ihm die Arme los, und nun standen sich die beiden gegenüber, einander mit den Augen messend.
Niemand sagte ein Wort. Hamd el Amasat war länger und sehniger als Omar. Dieser hatte eine größere Geschmeidigkeit vor jenem voraus, und die Ruhe, welche er bewahrte, ließ hoffen, daß er Sieger sein werde. Wunden konnte es nicht geben, da nur mit den Händen gekämpft wurde.
„So komm heran!“ schrie Hamd el Amasat, indem er drohend die jetzt freien Fäuste ausstreckte, anstatt sich, wie ich geglaubt hatte, auf Omar zu werfen.
Die Ruhe desselben schien ihm doch zu imponieren. Es war aber auch wirklich überraschend, daß sich nicht die Spur der leisesten Erregung bei dem Sohne Sadeks zeigte. Er hatte die Miene und Haltung eines Mannes, welcher ganz genau weiß, daß er Sieger sein wird.
„Komm du zu mir, wenn du Mut hast!“ antwortete er. „Aber blicke vorher hinaus! Dort drüben scheint die Sonne über dem Wald. Schau die dir noch einmal an, denn du wirst sie nie wieder sehen, sondern in Nacht und Grauen versinken. Hier hast du meinen Hals, um mich zu erwürgen. Ich werde dich nicht hindern, deine Hände um denselben zu legen.“
Das war sonderbar. Welche Absicht hatte er doch? Er trat dem Gegner um zwei Schritte näher, hob das Kinn empor, so daß sein Hals leichter zu fassen war, und legte die Hände auf den Rücken. Hamd el Amasat ließ sich diese vortreffliche Gelegenheit nicht entgehen. Er tat einen Sprung auf ihn zu und krallte ihm die beiden Hände um die Gurgel.
Kaum war das geschehen, so warf Omar seine beiden Arme nach vorn und legte dem Feind die Hände an den Kopf, so daß die vier Finger jeder Hand auf die Ohren und nach hinten, die beiden Daumen aber nach vorn auf die Augen zu liegen kamen.
„Hund, dich habe ich!“ knirschte Hamd el Amasat in satanischer Freude. „Mit dir ist es vorbei!“
Er drückte Omars Hals so fest zusammen, daß dieser blaurot im Gesicht wurde. Aber ich sah, was der Araber beabsichtigt hatte. Er verschmähte es,
Weitere Kostenlose Bücher