17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
dich“, antwortete er. „Bist du bei Sinnen? Das Pferd ist mein!“
„Das wird sich gleich zeigen.“
Ich warf meinen Burnus ab, so daß der Rappe meine Gestalt deutlicher sehen konnte, und rief ihm zu:
„Rih, Rih taijjibi, ta'al, ta'a lahaun – Rih, mein lieber Rih, komm her zu mir!“
Das herrliche Pferd hatte mich sehr lang nicht gesehen; es erkannte mich doch sogleich: ein gewaltiger Satz, mit allen Vieren in die Luft, ein zweiter dann zur Seite, und der Reiter lag im Grase; schon im nächsten Augenblick stand der Rappe, hell aufwiehernd, bei mir. Früher pflegte er mich dadurch zu liebkosen, daß er seinen Kopf an mir rieb oder mich leckte. Jetzt aber war das treue Tier so entzückt, daß ihm das nicht genügte; es nahm meine Schulter in das Maul und ließ dabei einen schnaufenden Freudenlaut hören, welcher so deutlich wie mit menschlichen Worten sagte: „O du lieber, lieber Herr, ich könnte vor Wonne sterben, daß ich dich wieder habe.“
Aber es gab keine Zeit zu Zärtlichkeiten. Der Abgeworfene kam schon herbeigesprungen; er hatte sein Messer in der Hand. Und der andere trieb sein Pferd auch auf mich zu. Ein rascher Sprung, und ich saß im Sattel. Den Revolver ziehend, hielt ich ihn dem ersten entgegen und gebot:
„Bleib stehen, sonst schieß' ich!“
Er gehorchte.
„Herab vom Pferd!“ befahl ich nun dem zweiten. „Sonst schieße ich dich herunter!“
Er hielt den Schimmel an, da er nicht näher zu kommen wagte, rief mir aber zornig entgegen:
„Hund, was hast du uns zu befehlen! Diese Pferde gehören uns, und ich –“
„Schweig!“ unterbrach ich ihn. „Ich bin Hadschi Ben Nemsi Emir, der Freund der Haddedihn, und dieser Rappe ist mein Pferd.“
„Kara Ben Nemsi!“ schrie er auf. „Der Fremdling mit den Zauberflinten!“
Einen Augenblick starrte er mich wie ratlos an, aber nur einen einzigen Augenblick; dann schoß er auf dem Schimmel fort, schnell wie ein Gedanke über die Ebene dahin.
„Sir, nehmt den Kerl hier fest!“ rief ich dem Engländer zu; dann flog ich hinter dem Reiter her.
Kein anderer als ich hätte ihn einzuholen vermocht. Das Pferd, auf welchem er saß, war das schnellste Roß der Haddedihn, jene junge Schimmelstute, von welcher Mohammed Emin zu mir gesagt hatte: „Diese Stute geht nur mit meinem Leben von mir.“ Er hatte mit ihr den wilden Esel Sundschar müde gejagt, bis er zusammenbrach. Selbst mein Rih hätte sie nicht einholen können, wenn der rechtmäßige Herr auf ihr gesessen hätte. Dieser Pferdedieb aber kannte ihr Geheimnis nicht und konnte sie also nicht zur Entfaltung ihrer größten Schnelligkeit bringen. Ich aber kannte dasjenige meines Hengstes und war darum des Erfolges sicher.
Ich legte dem Rappen die Hand zwischen die Ohren und rief dreimal „Rih!“ Er wieherte laut auf und griff so aus, daß mir hätte schwindelig werden mögen. Schon nach einer halben Minute sah ich, daß ich Raum gewann. Der Dieb blickte hinter sich und bemerkte es auch. Er schlug auf sein Pferd ein, um es anzutreiben, doch war die edle Stute eine solche Behandlung nicht gewöhnt; sie widersetzte sich; das brachte mich ihr rascher näher. Der Kerl gab sich alle Mühe und strengte seine ganze Reitkunst an; er gewann die Herrschaft wieder über das Pferd und flog weiter.
Er war ein vorzüglicher Reiter. Es läßt sich denken, daß, wenn ein Stamm die besten Pferde eines andern Stammes stehlen will, nur die besten Reiter dazu verwendet werden. Diese nehmen, um nicht gehindert zu sein, keine langen Waffen, sondern nur das Messer mit. Dafür aber bekommen sie Begleiter, welche sie zu beschützen, zu verteidigen haben. Das war der andere Reitertrupp gewesen, welcher die nördliche Richtung eingeschlagen hatte, um die Verfolgung von den eigentlichen Dieben ab und auf sich zu lenken.
Aber die Geschicklichkeit dieses Mannes half ihm nichts; ich kam ihm näher und immer näher. Nun verlegte er sich auf Finten und wich von der geraden Richtung bald nach rechts, bald nach links, wie ein Fuchs, welcher die Meute hinter sich hat, doch vergeblich. Ich kam an seine Seite.
„Halt an!“ gebot ich ihm.
Er schwang sein Messer, stieß ein grimmiges Lachen aus und gehorchte nicht. Ich wäre gern von meinem Pferd aus auf das seinige, um hinter ihn zu kommen, hinübergesprungen, aber das hätte der zarten Stute schaden können. Darum rief ich ihm zu, mich an seiner Seite haltend und den Revolver auf ihn richtend:
„Nochmals, halt an, sonst schieße ich!“
Er lachte wieder. Da
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