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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Viertelstunde gesessen hatten, sahen wir eine ganze Menge Reiter am östlichen Horizont auftauchen.
    „Sie kommen, sie kommen!“ lachte Lindsay am ganzen Gesicht. „Ich könnte ihnen gleich tausend Pfund Sterling schenken, so freue ich mich!“
    Ja, sie kamen; sie näherten sich schnell, indem sie auf der Spur der Pferdediebe ritten. Sie sahen uns und hielten an, um uns zu betrachten. Sie bemerkten nebst unseren Kamelen einen Schimmel und einen Rappen. Diese Färbung der Pferde stimmte. Konnten es die ihrigen sein? Nein, denn dann wären wir die Diebe gewesen und hätten uns nicht hierher gesetzt und sie so ruhig herankommen lassen.
    „Sir“, fragte der Engländer, „wer ist der hohe, bärtige Mann, welcher an ihrer Spitze hält?“
    „Das ist Amad el Ghandur. Er trägt den Bart ebenso lang wie früher sein Vater, nur daß der seinige schwarz ist und derjenige von Mohammed Emin weiß wie Silber war.“
    „Und der Alte neben ihm?“
    „Ist Scheik Malek von den Ateïbeh, der Großvater von Hanneh, der Herrlichsten unter den Herrlichen.“
    „Und der kleine Kerl seitwärts von diesem?“
    „Unser Hadschi Halef Omar.“
    „Well! Ihr habt bessere Augen als ich. Hält dort nicht einer auf einem scheckigen Pferd?“
    „Ja. Das ist Omar Ben Sadek auf seinem Aladschypferd. Sie haben uns noch nicht erkannt; jetzt aber kommen sie.“
    „Well! Werde mich ihnen gleich in Lebensgröße zeigen.“
    Er stand auf, streckte seine lange Gestalt wo möglich noch länger und schritt ihnen entgegen. Sie stutzten wieder. Die sonderbare, graukarierte Figur frappierte sie. Da aber stieß der kleine Hadschi einen lauten Freudenschrei aus, trieb sein Pferd vorwärts und rief dabei, sein Arabisch und Türkisch mit den wenigen deutschen und englischen Brocken, welche er sich gemerkt hatte, bereichernd:
    „Maschallah, Wunder Gottes! That's Lord David Lindsay; ich erkenne ihn!“
    Er kam hergeritten; der Lord ging ihm entgegen. Als sie sich trafen, sprang Halef vom Pferd und fragte:
    „You hier bei uns! Allah! Habt Ihr von meinem guten Sihdi gehört? Wie geht es ihm? Hat er ein Weib genommen oder noch nicht? Was – – –?“
    Die Frage blieb ihm im Mund stecken; ich hatte ihm den Rücken halb zugekehrt, stand aber jetzt auf und schritt auf ihn zu. Er bewegte zunächst kein Glied; dann breitete er die Arme aus, als ob er mich schon von weitem umfangen wolle, konnte aber nicht von der Stelle, sondern sank auf die Knie nieder und bewegte die Lippen. Man sah, daß er sprechen wollte; er brachte aber kein Wort hervor; dabei rannen ihm dicke Tränen aus den Augen und über das Gesicht herab.
    Ich war tief, tief gerührt von dieser außerordentlichen Gemütsbewegung, hob ihn empor und zog ihn an meine Brust. Da schlang er die Arme um mich, drückte sein Gesicht an mich und weinte und schluchzte zum Herzbrechen.
    Nun wurden auch die andern lebendig. Sie erkannten uns; sie erkannten auch den Hengst und die Schimmelstute; im nächsten Augenblick wogte es um uns von Reitern, welche von den Pferden sprangen, von Rufen und Fragen. Aller Hände streckten sich nach uns aus; ich konnte keine einzige drücken, denn ich hatte vollauf mit meinem Halef zu tun, der sich endlich so weit beruhigte, daß er sprechen konnte, aber auch erst nur die Worte:
    „Ya Sihdi, hajaji, na' imi, nuri esch schems, y Allah, y Allah – o Sihdi, mein Leben, mein Glück, mein Sonnenlicht – o Gott, o Gott!“
    Dabei streichelte er mir mit beiden Händen das Gesicht und küßte den Saum meines Burnus. Für ihn war es in diesem Augenblick ganz gleichgültig, ob die beiden kostbaren Pferde gerettet waren oder nicht. Er hatte mich; das war ihm genug.
    Um so größer aber war der Jubel der andern darüber, daß die Tiere sich in Sicherheit befanden. Auch ich hatte Tränen in den Augen über Halefs tiefes Ergriffensein, und dennoch konnte ich nicht anders, ich mußte lächeln über die Art und Weise, in welcher der graukarierte Lord die Haddedihn begrüßte. Er suchte seinen ganzen arabischen und türkischen Wortvorrat zusammen, um ihnen zu sagen, wie sehr er sich über das Wiedersehen freue; er verfügte da über zwanzig oder höchstens dreißig Ausdrücke, und man kann sich denken, welch ein Unsinn dabei zustandekam.
    Omar Ben Sadek hatte lange gewartet, um auch an mich zu kommen. Jetzt nahm er Halef einfach bei den Schultern, zog ihn von mir weg und sagte:
    „Glaubst du denn, den Sihdi ganz allein für dich behalten zu können? Hier ist auch noch jemand, der ihn

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