17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
zielte ich auf seine Hand, die das Messer hielt und drückte zweimal ab. Die Kugeln saßen. Er stieß einen Schrei aus und ließ das Messer fallen; er war nun waffenlos. Da drängte ich den Rappen hart an den Schimmel, erhob mich in den Bügel und schlug ihm die Faust gegen den Kopf. Er taumelte und ließ die Zügel aus der Linken fallen. Sofort ergriff ich sie; Pferd und Reiter waren mein. Wir hielten an, nachdem die Tiere noch eine kleine Strecke fortgeschossen waren.
Er war nicht ganz betäubt, wankte aber im Sattel hin und her. Das Blut lief ihm von der rechten Hand.
„Halte dich fest; es geht zurück!“ gebot ich ihm. „Wenn du eine Bewegung der Flucht oder des Widerstandes machst, schieße ich dich vollends zuschanden!“
Er sah trotz der Wut, welche ihn beherrschte, ein, daß er sich fügen müsse, und ergab sich in sein Schicksal.
Die Verfolgung hatte wohl kaum fünf Minuten gedauert und doch waren wir weit, sehr weit von dem Engländer fortgekommen. Es verging im Trabe über eine Viertelstunde, ehe ich ihn wiedersah. Er saß bei den Kamelen und hatte den andern Dieb neben sich sitzen.
„Gut, daß Ihr kommt“, rief er mir entgegen. „Ist ein verteufelt langweiliger Kerl. Wollte mich mit ihm unterhalten, versteht aber kein Wort englisch.“
„Es ist auch wohl kaum nötig, daß ein Lord von Altengland sich mit einem Pferdedieb unterhält“, lachte ich. „Wie habt Ihr ihn bekommen?“
„Mit den Händen, mit denen man alles fassen kann, was sich greifen läßt. Wollte fortlaufen, der Halunke; habe aber auch zwei Beine, Well!“
„Aber er hatte doch ein Messer!“
„Ich auch!“
„Hat er sich damit zur Wehr gesetzt?“
„Freilich. Habe ihm aber einen Klaps auf die Nase gegeben, daß sie bald aussehen wird wie damals die meinige, als sie die Aleppobeule hatte. Der da hat wohl auch einen Klaps erhalten?“
Er deutete dabei auf den Dieb, den ich brachte. Der seinige hielt die Nase in beiden Händen.
„Ja“, antwortete ich. „Jetzt reiten wir die Pferde, und diese beiden Gentlemen mögen sich auf unsere Kamele setzen.“
„Wohin geht's nun jetzt?“
„Gar nicht weit. Nur bis dahin, wo die Spitzbuben sich geteilt haben.“
„Geteilt? – Wieso?“
„Ist sehr einfach, Sir. Die Haddedihn haben den Diebstahl natürlich, sobald es Tag wurde, bemerkt und sich augenblicklich auf die Verfolgung gemacht. Um sie irre zu leiten, sind die Diebe auseinandergegangen, die einen nach Norden und diese beiden hier mit den erbeuteten Pferden westwärts. Wir reiten bis zu dieser Scheidestelle und werden da die Haddedihn bald kommen sehen.“
„Well! Werden Augen machen, wenn sie ihre Pferde so bald wiederbekommen, und nun gar von wem!“
Die beiden Abu-Ferhan – denn sie gehörten diesem Stamm wirklich an – mußten auf die Kamele steigen; dann ritten wir weiter, bis ihre Fährte mit derjenigen ihrer Genossen zusammenstieß. Dort stiegen wir wieder ab und setzten uns in das Gras. Die Pferde und Kamele begannen sofort zu weiden. Lindsay rieb sich vor Vergnügen die Hände und sagte:
„Bin doch begierig auf die Gesichter, welche wir sehen werden! Wird ein Hauptspaß werden. Nicht?“
„Ja, eine tüchtige Überraschung. Halef wird einer der ersten sein, und Amad el Ghandur ist natürlich auch dabei.“
Hierbei muß ich bemerken, daß, als ich mit Halef von der Todeskarawane zu den Haddedihn zurückkehrte, Amad el Ghandur noch nicht wieder bei seinem Stamm angekommen war. Wir hielten ihn für verloren. Später aber langte er doch glücklich an. Er hatte den Tod seines Vaters an den Bebbehkurden gerächt, jedoch mehr Zeit dazu gebraucht, als von ihm und auch von mir angenommen worden war.
Er bekleidete jetzt als Nachfolger Mohammed Emins die Stelle eines Scheiks der Haddedihn.
„Und Omar Ben Sadek mit seiner Schecke“, fügte Lindsay hinzu. „Freue mich darauf wie ein Schneefieber auf die Gurkenzeit. Ist doch etwas ganz anderes, wenn man mit Euch reist, Sir. Man erlebt etwas.“
„Macht mich nicht stolz, Mylord! Andere Leute haben auch ihre Erlebnisse.“
„Aber was für welche! Den Mylord laßt nur weg. Für Euch heiße ich Lindsay, David Lindsay, so wie es früher gewesen ist. Verstanden!“
Die beiden Gefangenen sagten kein Wort; der eine starrte zur Erde nieder, und der andere betastete unaufhörlich seine Nase, welche an Farbenreichtum und Ausdehnung sichtlich zunahm. Der Lord mußte ihm einen nicht gewöhnlichen Hieb auf dieselbe gegeben haben.
Da, als wir ungefähr eine
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