17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
wackeren Menschen, seinem Sohn Gelegenheit zu geben, schon jetzt zu zeigen, daß aus ihm ein würdiges Ebenbild seines Vaters zu erwarten sei; ich war gleich beim ersten Wort, welches er gesprochen hatte, nicht abgeneigt gewesen, auf seinen Wunsch einzugehen, und ließ jetzt nur noch die letzte Einwendung hören:
„Deine Gründe sind mir leicht begreiflich, lieber Halef; aber was sagt Hanneh, die Mutter des Knaben, dazu? Sie hat das Recht, ihre Meinung auch hören zu lassen.“
„Ja, das hat sie, und sie soll sofort sagen, was sie denkt. Hanneh, du Liebling aller Lieblinge, erkläre unserm Sihdi, was dein Wunsch und Wille ist!“
Sie hatte bei uns gesessen, ohne bis jetzt ein Wort zu sprechen, war aber unserem Gespräch mit größter Teilnahme gefolgt, jetzt ließ sie sich in bescheidenem Ton vernehmen:
„Sihdi, du magst bestimmen, was du willst, so füge ich mich deinem Willen, denn ein Weib hat sich dem Rat der Männer zu unterwerfen. Aber da du befiehlst, daß ich dir meine Meinung sage, so sollst du sie hören. Du weißt, wie sehr ich Hadschi Halef Omar, meinen Herrn und Gebieter, liebe; dennoch habe ich ihn gern mit dir ziehen lassen, obwohl ich wußte, welche Gefahren auf euch warten und daß er sein Leben wohl oft zu wagen haben werde. Ich habe im stillen um ihn gebangt und für ihn gebetet; aber ich bin stolz darauf gewesen, daß er dein Begleiter sein und dir zeigen durfte, daß er ein treues und mutiges Herz besitzt. Er hat alle Fährlichkeiten glücklich überstanden und ist zu mir als ein Mann zurückgekehrt, der mehr erlebte und erfuhr, als alle andern Männer und Krieger dieser Gegend. Jetzt sitzt er im Rat der Alten, die gern seine Stimme hören und ihr wohl immer folgen. Das erfüllt mein Herz mit großer Wonne, denn ich besitze einen Gemahl, mit welchem sich kein anderer vergleichen darf. Wir vom Stamm der Ateïbeh waren die Verachtetsten unter den Verachteten, als du uns kennenlerntest; jetzt ist das ganz anders geworden, denn der Name Hadschi Halef Omar ist mit reichem Ruhm bekannt, soweit die Fluten des Euphrat und des Tigris fließen. Es kommen die Krieger fremder, weit entfernter Stämme, um meinen Gemahl zu sehen und ihn kennenzulernen; werde da nicht auch ich von den Strahlen seiner Berühmtheit beleuchtet? Ebenso stolz möchte ich auch auf meinen Sohn sein dürfen, und ich weiß, daß nur du es bist, der ihn so schnell zum Ruhm führen kann, wie der Name seines Vaters durch dich auf alle Lippen und Zungen gebracht worden ist. Ich liebe ihn mehr als mich selbst, aber grad darum ist es mein höchster Wunsch, daß er seines Vaters würdig werden möge. Ich weiß ihn in deinem Schutz so sicher, als ob er sich hier in diesem Zelt befinde. Du kannst ihm ein Beispiel und Vorbild für sein ganzes, ferneres Leben geben, aber nur dadurch, daß er es vor sich hat und sieht, dadurch, daß er sich in deiner Nähe befindet. Darum habe ich denselben Wunsch, den Hadschi Halef Omar ausgesprochen hat: erfülle unsere Bitte, und nimm ihn mit! Er wird dann von dieser Erinnerung zehren, wie man aus einem Brunnen trinkt, der unaufhörlich Wasser gibt!“
Da schlang Halef seine Arme um sie, küßte sie auf Stirn, Mund und Wangen und rief aus:
„Das habe ich gewußt, daß du so sprechen würdest, du Verständigste unter den Verständigen, du Weib des Tapfern und du Mutter des zukünftigen Helden! Hast du es gehört, Sihdi? Sie will es auch, daß Kara Ben Hadschi Halef Omar mit uns gehe. Sei nicht dagegen, sondern stimme bei!“
Er streckte mir seine Hand entgegen; ich schlug ein und antwortete:
„Euer Wunsch sei erfüllt; er soll mit uns reiten.“
„Auch wenn die andern dagegen sind?“
„Auch dann, denn ich hoffe, daß die Haddedihn meine Fürsprache berücksichtigen werden.“
„O, das tun sie sicher und gewiß, Sihdi. Du darfst von ihnen verlangen, was du willst; sie tun es, wenn es überhaupt nur möglich ist.“
Er strahlte förmlich vor Entzücken, und auch Hanneh war hocherfreut darüber, daß ich meine Zusage gegeben hatte. Halef eilte fort, um seinem Sohn das Resultat dieser Unterredung mitzuteilen.
Was ich erwartet hatte, geschah dann später: Als die Haddedihn vernahmen, daß der Hadschi seinen Knaben mitnehmen wollte, waren sie einstimmig dagegen. Ich machte nicht viel Worte, um ihre Einwilligung zu erlangen, sondern sagte nur, daß es auch mein Wunsch sei, meinen ‚Paten‘, der meinen Namen trage, bei mir zu haben; da ließen sie jeden Einwand fallen.
Am nächsten Morgen wurde
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