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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kerlchen gern, obgleich ich voraussah, daß vom Schlaf nicht sehr die Rede sein werde. Es kam auch so, wie ich gedacht hatte; ich mußte ihm erzählen, und auch er hatte mir so viel Neues und Interessantes zu berichten, daß wir erst gegen Morgen die Augen schlossen und schon nach einer Stunde durch das erwachende Lagerleben wieder aufgeweckt wurden.
    Es gab zum Frühstück einen Kaffee, mit dem wir zufrieden sein konnten, und duftende Kebab, kleine, über dem Feuer geröstete Fleischstücke, welche sehr gut schmeckten. Dann führte Halef mich in sein Zelt, denn Hanneh, die ‚Lieblichste der Frauen und Töchter‘, sehnte sich, mich bei sich zu sehen. Sie bereitete uns ein zweites, sehr delikates Frühstück, und der Hadschi war unendlich glücklich, als er sah, mit welcher Achtung und Höflichkeit ich seine ‚Schönste unter den Schönen‘ behandelte. Nach dem Mahl fragte er mich:
    „Sihdi, du hast gestern Kara Ben Halef, meinen Sohn, auf seinem Pferd sitzen sehen. Wie reitet er?“
    „Sehr gut“, antwortete ich, ihn erwartungsvoll anblickend, denn ich kannte ihn und hatte schon längst bemerkt, daß er etwas Wichtiges auf dem Herzen hatte. Meine Antwort war nicht bloß aus Rücksicht für seinen Vaterstolz gegeben; ich fuhr vielmehr der Wahrheit gemäß fort: „Ich habe noch nie einen Knaben dieses Alters sein Pferd so regieren sehen. Er reitet wirklich wie ein Erwachsener.“
    Seine und Hannehs Augen leuchteten vor Entzücken; er rief aus:
    „Wie stolz du mich mit deinen Worten machst, o Sihdi! Ich selbst bin sein Lehrer gewesen; darum tut dies Wort aus deinem Mund mir zehnfach wohl. Nun sollst du ihn aber auch schießen sehen. Willst du die Güte haben, mit mir hinauszugehen?“
    Er führte mich vor das Lager, wo Kara Ben Hadschi Halef Omar schon auf uns wartete; er war mit einem Doppelgewehr, zwei Pistolen und einem Revolver ausgerüstet. Ein Pfahl steckte in der Erde. Auf diesen deutend, sagte Halef:
    „Sihdi, wie oft hast du, wenn du dich in Not und Gefahr befandest, auf so einen Pfahl geschossen, um deinen Feinden zu zeigen, wie unfehlbar deine Kugeln sind, und daß sie verloren sein würden, wenn sie es wagten, dich anzugreifen. Ich habe mich später auf dieselbe Weise geübt und dann auch meinem Sohn Unterricht gegeben. Der mag dir zeigen, was er gelernt hat. Erlaubst du es?“
    Ich hatte selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden. Der Knabe schoß aus äußerster Tragweite seiner Waffen und tat keinen einzigen Fehlschuß. Jede Kugel saß, so wie es Halef von mir gesehen hatte, einen Zoll von der vorigen entfernt in der Zeltstange.
    „Nun, Sihdi, genügt dir diese Probe?“ fragte mich sein Vater.
    „Natürlich“, antwortete ich. „Er wird ein Krieger wie sein Vater werden, und ich bin stolz darauf, daß er meinen Namen Kara trägt.“
    „Er soll ein Held werden, wie du bist, o Emir. Folge mir wieder in mein Zelt zurück, denn ich und Hanneh, die beste unter den Frauen und Müttern, haben dir eine Bitte vorzutragen.“
    Ich ahnte, welcher Wunsch dies war, und hatte mich in meiner Vermutung auch nicht getäuscht, denn als wir wieder im Zelt beisammen saßen, sagte er:
    „Mein Sohn soll seinen ersten Zug nicht unter einer gewöhnlichen Führung machen; ich wäre außerordentlich glücklich, ihn unter deiner Leitung zu sehen. Soll ich da warten, bis du später einmal wiederkommst? Kann man überhaupt wissen, ob Allah gewillt ist, uns noch einmal mit deiner Gegenwart zu erfreuen? Jetzt aber bist du hier und wirst uns nach dem Grab des Scheiks führen. Soll ich da nicht diese Gelegenheit ergreifen, meinen Nachfolger im Schatten deiner Vortrefflichkeit reiten zu sehen? Erlaube mir also, ihn mitzunehmen, o Sihdi; meine Dankbarkeit wird ohne Grenzen sein!“
    „Er ist zu jung, mein lieber Halef“, warf ich ein.
    „Darf man die Jugend oder das Alter nach Zahlen messen? Es gibt junge Menschen, welche wie alte handeln, und wiederum sieht man oft alte Leute, welche nicht klüger als unerfahrene Kinder sind.“
    „Das ist richtig. Ich sehe, daß dein Kara Ben Halef weit über seine Jahre vorgeschritten ist; aber sein Körper ist wohl noch nicht widerstandsfähig genug, um einen solchen schnellen, weiten und anstrengenden Ritt, wie wir ihn vorhaben, aushalten zu können.“
    „Denke das ja nicht, o Sihdi! Er ist abgehärtet wie ein Alter. Ich habe ihn in diesem Jahr mit in Basra gehabt, gewiß ein weiter Ritt, viel, viel weiter als derjenige, den wir jetzt vorhaben, und er war bei der Rückkehr so

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