17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
munter und so frisch, wie er beim Aufbruch gewesen war. Ich sage dir, er hält es aus, er hält es aus, vielleicht besser als ein Krieger von dreißig oder vierzig Jahren. Es würde mich sehr schmerzen, wenn du mir meinen Wunsch nicht erfüllen wolltest.“
„Vom Erfüllen oder Nichterfüllen meinerseits kann keine Rede sein. Du bist der Vater und hast also allein zu bestimmen, was dein Sohn zu tun oder zu lassen hat. Es kommt also nur auf dich an, ob du ihn mitnehmen willst oder nicht.“
„Das sagst du, Sihdi; aber die Haddedihn werden anders denken. Ich vermute, daß sie sich weigern werden, einen Knaben mitzunehmen.“
„Das kann ich ihnen, aufrichtig gesagt, gar nicht verdenken, obwohl sie den beabsichtigten Ritt viel leichter nehmen als ich.“
„Leichter? So hältst du ihn für schwieriger als sie?“
„Nicht allein für schwieriger, sondern auch für gefährlicher.“
„Gefährlich. Weshalb?“
„Ihr habt mir die Führung übergeben und, wie ich nur zu dir allein sage, ganz wohl daran getan, denn ich bin als Abendländer viel bedenklicher als sie. Ich habe mich gewöhnt, mir alles vorher zu überlegen, und halte es für leicht möglich, daß wir einen Zusammenstoß mit den Bebbeh haben.“
„Wir können aber doch leicht die Gegend vermeiden, in welcher sie sich jetzt befinden!“
„Nein, das können wir wahrscheinlich nicht, denn es ist leicht denkbar, daß sie sich grad dort befinden, wohin wir jetzt wollen.“
„Am Grab Mohammed Emins etwa?“
„Ja.“
„Was können sie dort wollen?“
„Dasselbe, was wir beabsichtigen.“
„Ich verstehe dich nicht, Sihdi. Sie können doch nicht auf den Gedanken kommen, am Grab des Scheiks, der ihr Feind und Gegner war, zu beten!“
„Das wird ihnen freilich nicht einfallen; aber es gibt ein anderes Grab dort, welches sie grad an diesem Tag anziehen kann. Denke an ihren Scheik Gasahl Gaboya!“
„Den ich erschossen habe?“
„Ja. Er hat mit Mohammed Emin denselben Todestag. Kannst du mich nun begreifen?“
„Allah l' Allah, daran habe ich gar nicht gedacht! Aber da fällt mir ein, daß es gar kein Grab gibt, an dem sie beten können, denn wir haben damals ihre Toten, also auch die Leiche ihres Scheiks, in das Wasser geworfen.“
„Was ich nicht zugegeben hätte, wenn ich nicht betäubt gewesen wäre“, fiel ich ein. „Man muß die Toten ehren; das ist damals nicht geschehen, und darum wird die Stimmung der Bebbeh seitdem eine doppelt feindselige geworden sein. Dazu kommt, daß Amad el Ghandur nachher den Tod seines Vaters an ihnen gerächt hat.“
„Du meinst also, daß sie an das Wasser kommen werden, um zu beten?“
„Ich meine, daß ihr Kommen möglich ist, weiter nichts; aber wenn sie kommen, so brauchen sie sich nicht an das Wasser zu stellen; davon bin ich überzeugt. Sie sind auf alle Fälle, als wir fort waren, zurückgekehrt, um zu sehen, was mit ihren gefallenen Kriegern geschehen ist. Sie haben die Leichen aus dem Wasser gezogen und in die Erde begraben; es gibt also eine Stätte, an welcher sie sich zur Andacht versammeln können. Unsere Haddedihn sind nicht umsichtig genug, daran zu denken. Ich habe also guten Grund, unsern Ritt für nicht ungefährlich zu halten. Es kann leicht zu einem Zusammenstoß mit ihnen kommen. Nimmst du deinen Sohn mit, so weißt du nun, welcher Gefahr du ihn aussetzt.“
„Sihdi, das ist aber doch kein Grund, ihn hier zu lassen! Soll er sich vor einer Gefahr fürchten, welcher sein Vater kaltblütig entgegengeht? Er wird nun erst recht wünschen, bei mir sein zu dürfen. Ist er vielleicht besser als ich? Bin ich so wertlos gegen ihn, daß ich, der Vater, mich erschießen lassen muß, während er, der Sohn, hier bei den alten Weibern zurückbleibt, um seinen edlen Leib zu pflegen und seine zarte Haut mit wohlriechenden Salben einzureiben? Wie kann ein Held aus ihm werden, wenn er es schon jetzt verschmäht, den Glanz seines Mutes zu zeigen und den Schimmer seiner Tapferkeit zu pflegen. Soll ich mir ein solches Ding bauen lassen, was ihr im Abendland einen Choristan el Kezaz (Glasschrank) nennt, und meinen Sohn hineinsperren, damit kein Stäubchen auf ihn fallen und er seine Feigheit durch die Glasscheiben bewundern lassen kann.“
Der kleine Hadschi war in Aufregung geraten. Er sprach noch weiter und brachte alles mögliche vor, um mich zu überzeugen, daß es ganz unumgänglich notwendig sei, den Knaben grad jetzt an diesem Zug teilnehmen zu lassen. Ich freute mich über den Eifer dieses
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