Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
diese Bitte, so hast du deinen Willen, und ich habe den meinigen auch.“
    Ich konnte nicht anders – ich mußte laut auflachen, und meine Gefährten stimmten ein. Der Kiaja freute sich, uns so gut gelaunt zu sehen, und fragte mich in beinahe zärtlichem Ton:
    „Effendim, sewgülüm – mein lieber Effendi, nicht wahr, du tust es? Fünf und fünf?“
    Da trat aus dem umstehenden Volk ein langer, hagerer, dunkelbärtiger Mensch hervor und sagte:
    „Beni itschit, jabandschi – höre mich, Fremder! Du siehst hier über dreißig Männer stehen, von denen ein jeder bereit ist, sich fünf Streiche geben zu lassen, wenn er dazu fünf Piaster bekommt. Wenn es dir recht und gefällig ist, so wollen wir Dizi syraji (in Reihe und Glied) machen und uns dieses schöne Geld verdienen.“
    „Ich danke, ich danke sehr!“ antwortete ich ihm. „Ihr habt uns nicht beleidigt, also könnt ihr keine Prügel und leider auch keine Piaster erhalten.“
    Er machte ein enttäuschtes Gesicht und sagte wehmütig:
    „Das ist uns gar nicht lieb. Ich bin ein sehr armer Mann und schlafe unter dem Dach des Himmels. Ich genieße mit den Meinen das Itschki plamudün (Getränk der Eicheln), und der Hunger ist unser einziger Gönner. Nie habe ich einen Stockhieb erhalten. Heute aber würde ich mich schlagen lassen, um fünf Piaster zu erhalten.“
    Man sah es dem Mann an, daß er die Wahrheit sprach. Das Elend saß in jeder Falte seines Gesichtes. Schon wollte ich in die Tasche greifen, da aber stand auch schon Halef bei ihm, zog den Beutel und drückte ihm etwas in die Hand. Als der arme Bursche sah, was er bekommen hatte, rief er aus:
    „Du hast dich geirrt! Das kannst du doch –“
    „Still, Alter!“ fiel ihm Halef in die Rede, indem er mit der einen Hand den Beutel wieder in die Tasche steckte, während er mit der andern die Peitsche drohend schwang. „Mach dich von hinnen und sorge dafür, daß die Deinen einmal echte Kaffeebohnen anstatt der Eicheln erhalten!“
    Er schob den Mann fort, unter die Umstehenden hinein, worauf sich derselbe denn auch mit eiligen Schritten entfernte, gefolgt von anderen, welche die Höhe des Geschenkes gern erfahren wollten.
    Nun brachen wir auf. Als unsere Pferde sich in Bewegung setzten, trat der Khawaß des Dorfes aus der Menge wieder hervor und rief mir zu:
    „Herr, du hast mich mit Piastern beglückt. Ich werde dir das Yrz beraber gitmeji (Ehrengeleit) geben.“
    Er stellte sich an unsere Spitze, nahm den Säbel und schritt in martialischer Haltung vor uns her. Erst draußen vor dem Dorf verabschiedete er sich.
    „Sihdi“, meinte Halef, „es freut mich doch, daß ich nicht derb zugeschlagen habe. Er ist kein übler Kerl, und es sollte mir leid tun, wenn ich ‚die sanften Gefühle seines Sitzes in schlimmere Aufregung‘ versetzt hätte. In diesem schönen Land ist jeder ein Held bis zu dem Augenblick, in welchem er die Peitsche sieht.“ – – –

ZWEITES KAPITEL
    Eine Bärenjagd
    Der Aufenthalt in dem elenden Dorf hatte ganz gegen unsere vorherige Absicht weit über eine Stunde gedauert. Um zu erfahren, wo wir heute nacht bleiben würden, fragte ich den Konakdschy danach. Er antwortete:
    „Wir bleiben bei Junak, wo ihr besser ruhen werdet, als es hier im Dorf der Fall gewesen wäre.“
    „Wie weit ist es bis zu ihm?“
    „Wir erreichen sein Haus noch vor Anbruch der Nacht. Ihr könnt sicher sein, daß er euch willkommen heißen wird.“
    Weitere Erkundigungen wollte ich aus guten Gründen nicht einziehen. Es war vorteilhaft für uns, diesen Konakdschy glauben zu lassen, daß er unser ganzes Vertrauen besäße.
    Noch ritten wir auf der Hochebene; aber vor uns im Westen lagen schwere Bergmassen, deren Ausläufer uns bald zwischen sich nahmen. Rechts von uns strichen die Höhen des Schar Dagh nach Nordost. Wir näherten uns dem südwestlichen Vorstoß desselben, welcher seinen Fuß von den kalten Wassern des schwarzen Drin bespülen läßt. Dann fließt von Norden her der weiße Drin herbei, und der vereinigte Fluß wendet sich nach Westen, dem adriatischen Meer, dem nicht mehr fernen Ziel unseres Rittes, entgegen. Von da, wo wir uns jetzt befanden, bis zur Meeresküste beträgt die Luftlinie kaum über fünfzehn deutsche Meilen. In drei Tagen konnten wir dort sein. Ob uns das auch gelingen würde? Es gab Hindernisse zu überwinden, welche nicht nur in den Terrain-Schwierigkeiten bestanden.
    Nun befanden wir uns schon mitten zwischen himmelan strebenden Bergen. Zwar hatten wir bisher

Weitere Kostenlose Bücher