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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte, bevor es in die Wurst geraten war, und gab es ihm hin.
    Als er es jetzt betrachtete, wurden seine Augen noch einmal so groß. Er riß den Mund auf, fast so, wie vor zwei Stunden, als er den fetten Raki trank.
    „Allah, Allah!“ rief er aus. „Schi mahuhl; schi biwak'kif scha'r irrahs – das ist fürchterlich; das läßt einem die Haare zu Berge stehen!“
    Wenn jemand zwanzig Sprachen spräche und jahrelang nur in fremden Zungen redete, im Augenblick großen Schreckens oder großer Freude wird er sich seiner Muttersprache bedienen. So auch hier. Halef sprach sein heimatliches Arabisch, seinen moghrebinischen Dialekt. Er mußte also sehr erschrocken sein.
    „Was schreist du denn?“ fragte ich mit der harmlosesten Miene.
    „O, Sihdi, was habe ich gekaut! Schi'aib, schi makruh – das ist schändlich, das ist abscheulich. B'irdak, billah 'alaik – ich flehe dich an, ich beschwöre dich!“
    Er sah mich wirklich wie hilfeflehend an. Sämtliche Züge seines Gesichtes arbeiteten krampfhaft, um den Eindruck der fatalen Entdeckung zu überwinden.
    „So sprich doch nur! Was ist es denn?“
    „Ja Allah, ja nabi, ja maschara, ja hataja – o Allah, o Prophet, o Spott, o Sünde! Ich fühle jedes einzelne Haar auf meinem Haupt! Ich höre meinen Magen wie einen Dulun (Dudelsack) klingen! Alle meine Zehen wackeln, und in den Fingern kribbelt es, als ob sie mir eingeschlafen wären!“
    „Ich weiß aber noch immer nicht, weshalb?“
    „Sihdi, willst du mich verhöhnen? Du hast es doch auch gesehen, was es ist. Es ist ein Laska es suba.“
    „Ein Laska es suba? Ich verstehe es nicht.“
    „Seit wann hast du das Arabische verlernt? So will ich es dir türkisch sagen. Vielleicht weißt du dann, was ich meine. Es ist ein Parmak kabuki (Fingerhülse, Fingerdüte). Oder nicht?“
    „Meinst du?“
    „Ja, das meine ich!“ beteuerte er, indem er ausspuckte. „Wer hat die Wurst gemacht? Etwa das Weib?“
    „Wahrscheinlich.“
    „O Unglück! Sie hat einen wunden Finger gehabt und von einem Diw eldiweni (Fausthandschuh) den Daumen abgeschnitten und sich über das Pflaster und den Finger gesteckt. Als sie dann die Wurst füllte, hat sie die Fingerdüte mit hineingestopft. Schu haida – pfui!“
    „Das wäre ja entsetzlich, Halef.“
    „La tihki, walah kilmi – rede nicht mehr, auch nicht ein Wort!“
    Er hielt alles noch in den Händen, die beiden zerbissenen Teile des Wurstzipfels und die unglückselige Fingerhülse. Es war wirklich der Daumen eines starkledernen Fausthandschuhs. Sein Gesicht war gar nicht zu beschreiben. In diesem Augenblick fühlte er sich jedenfalls als den unglücklichsten Menschen der Erde. Er sah bald mich und bald die Wurststücke an und schien so von Ekel und Abscheu erfüllt zu sein, daß er gar keine Zeit fand, an das Nächstliegende zu denken.
    „So wirf es doch weg!“ sagte ich.
    „Wegwerfen? Jawohl! Aber was habe ich davon? Mein Leib ist entweiht, meine Seele entwürdigt, und mein Herz hängt mir genauso wie eine traurige Wurst im Busen. Meine Urahnen drehen sich, grad so wie mein Magen, im Grab um, und die Söhne meiner Enkelkinder werden Tränen trinken beim Andenken an diese Stunde der bestraften Leckerhaftigkeit. Ich sage dir, Sihdi, der Prophet hat vollständig recht. Das Schwein ist die ruchloseste Bestie des Weltalls, die Verführerin des menschlichen Geschlechtes und die Erztantentochter der Teufelsmutter. Das Schwein muß ausgerottet werden aus dem Reich der Schöpfung, es muß gesteinigt werden und vergiftet mit allen möglichen schädlichen Arzneien. Und der Mensch, welcher die schandbare Erfindung gemacht hat, die zerstückelte Leiche, das Fett und das Blut dieses Viehzeuges in die eigenen Gedärme desselben zu füllen, dieser Mensch muß in der schrecklichsten Ecke der Hölle schmoren in alle Ewigkeit. Die Frau aber, welche diesen Finger des Fausthandschuhs und das Pflaster ihres ungläubigen Daumens in die Wurst stopfte, diese Halefschänderin soll von ihrem bösen Gewissen gepeinigt werden Tag und Nacht, ohne Unterlaß, daß sie sich für einen umgekehrten Igel halten soll, bei dem die Stacheln nach innen gehen.“
    „Ja, es ist stark!“ lachte ich. „Dein Gesicht ist mir ganz unbegreiflich, ich kenne dich gar nicht mehr. Bist du denn wirklich der tapfere und stolze Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abdul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah?“
    „Schweig, Effendi! Erinnere mich nicht an die wackeren Väter meiner Großväter! Keiner von ihnen hat das

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