17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
keinen gebahnten Weg gehabt, aber dennoch ziemlich schnell reiten können. Jetzt mußten wir uns durch Schluchten winden, welche fast unzugänglich waren. Schwere Felstrümmer legten sich uns in den Weg. Mächtige Stämme waren von den Stellungen abgestürzt und zwangen unsere Pferde, über sie hinwegzuklettern. Wir konnten nur zu zweien, ja wir mußten oft lange Strecken einzeln reiten, weil der Raum es nicht anders gestattete. Da war denn der Konakdschy als Führer natürlich voran, und Halef bildete die Nachhut. Warum, das konnte ich mir denken. Er hatte sich jedenfalls über das Päckchen hergemacht und wollte sich nicht dabei ertappen lassen.
Eben waren wir wieder in eine Vertiefung eingebogen, welche erlaubte, daß zwei Reiter sich nebeneinander bewegen konnten. Ich war der Vorletzte und tat dem Hadschi den Gefallen, gar nicht auf ihn zu achten. Da kam er herbei und ritt mir zur Seite.
„Sihdi, hat jemand etwas gemerkt?“
„Wovon?“
„Daß ich den verbotenen Schinken des Schweins verspeiste.“
„Niemand hat es gesehen, auch ich nicht.“
„So kann ich ruhig sein. Aber ich sage dir, daß der Prophet sich an seinen Gläubigen schwer versündigt, wenn er ihnen diese Speise verbietet. Es ist ein Genuß höchster Ergötzlichkeit. Kein gebratenes Huhn kommt ihm gleich. Wie mag es aber nur kommen, daß das tote Schwein viel, viel besser riecht, als das lebendige?“
„Das liegt an der Behandlung des Fleisches. Es wird gepökelt und geräuchert.“
„Wie macht man das?“
„Das Fleisch wird in Salz gelegt, damit das Wasser aus ihm entfernt werde, wodurch es dauerhaft wird.“
„Ah, das ist das Pastyrma (Pökelfleisch), von dem ich sprechen hörte?“
„Ja. Dann wird es geräuchert und erhält durch den Rauch den Duft, welcher dir so wohlgefällt. Wie weit bist du mit deinem Vorrat gekommen?“
„Der Schinken ist verzehrt, die Wurst habe ich noch nicht gekostet. Wenn du erlaubst, werde ich sie anschneiden.“
Er zog die Wurst aus der Satteltasche und das Messer aus dem Gürtel.
„Natürlich willst du auch ein Stück, Effendi?“
„Nein, ich danke dir!“
Wenn ich an dem famosen Umschlag dachte und an die Frau, welche wahrscheinlich die Wurst höchst eigenhändig gestopft hatte, so war an Appetit natürlich gar nicht zu denken. Jetzt sah ich, daß Halef sich ganz vergebliche Mühe gab, die Wurst aufzuschneiden. Er säbelte und säbelte, kam aber mit dem Messer nicht hindurch.
„Was gibt es denn?“
„O sie ist gar zu fest!“ antwortete er.
„Fest? Du meinst doch wohl zu hart?“
„Nein, hart ist sie nicht, aber ungeheuer fest.“
„Ob vielleicht ein kleiner Knochen mit hineingeraten ist? Versuche es nebenan!“
Er setzte das Messer an einer andern Stelle an, und nun ging es leicht. Er roch an das abgeschnittene Stück, machte ein verklärtes Gesicht, nickte mir triumphierend zu und biß hinein. Er biß und biß, er hielt mit den Zähnen fest und zog mit beiden Händen – vergeblich!
„Allah 'l Allah! Diese Wurst ist wie ein Ochsenfell!“ rief er aus. „Aber dieser Geruch! Dieser Geschmack! Ich muß durch, und ich komme durch!“
Er biß und zerrte aus Leibeskräften, und endlich gelang es. Die zähe Stelle gab nach – der Wurstzipfel war entzwei. Das eine Stück hielt er in der Hand, und das andere hatte er im Mund. Er begann zu kauen; er kaute fort und kaute weiter, aber er schlang den Bissen nicht hinab.
„Was kaust du denn, Halef?“
„Die Wurst!“ antwortete er.
„Aber so schlinge doch auch!“
„Das geht noch nicht. Ich bringe das Stück nicht auseinander.“
„Wie schmeckt es denn?“
„Ausgezeichnet! Aber zähe ist es, außerordentlich zähe. Es kaut sich wirklich ganz wie Rindsleder.“
„So ist es kein Fleisch. Untersuche es!“
Er nahm den Bissen aus dem Mund und betrachtete ihn. Er drückte, zog und quetschte; er unterwarf ihn einer sehr sorgfältigen Untersuchung und sagte endlich kopfschüttelnd:
„Daraus werde ich nicht klug. Schau du das Ding einmal an!“
Ich nahm das ‚Ding‘ und betrachtete es. Es sah schon so nicht appetitlich aus, aber als ich nun gleich entdeckte, was es war, da wurde es mir doch ganz anders zumute. Sollte ich es dem Hadschi sagen? Jawohl! Er hatte das Gebot des Propheten übertreten, und nun kam eben die Folge seiner Sünde. Der kleine Mann hatte prächtige Zähne; aber dieses lederne Ding zu zerkauen, das war ihm doch nicht gelungen. Ich schob es mit Hilfe des Daumens in diejenige Fassung, welche es gehabt
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