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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kolossale Unglück gehabt, eine Hülse zu kauen, welche erst an einem kranken Finger und dann in einer noch viel kränkeren und trostloseren Wurst steckte. Alle meine männliche Beredsamkeit reicht nicht aus, die Qualen meines Mundes, die Angst meines Schlundes und die Hilflosigkeit meiner Verdauung zu schildern. Dieser Tag ist der bejammernswerteste meiner ganzen irdischen Pilgerfahrt. Erst habe ich den Tran des Fisches getrunken, daß mir vor Übelkeit das Lebenslicht auslöschen wollte, und kaum hat es wieder ein wenig aufzuflackern begonnen, so fange ich gar an, an dem eingepökelten Etui einer nichtswürdigen Daumengeschwulst zu kauen. Das ist doch wahrhaftig mehr, als ein Sterblicher vertragen kann!“
    „So wirf es doch endlich weg.“
    „Ja, fort, fort! Die Sünde des heutigen Tages soll keinen Augenblick länger an meinen Fingern kleben. Mir sind alle Genüsse der Erde vergällt. Dem ersten, der mir eine Wurst vor die Augen bringt, schieße ich meine sämtlichen Kugeln in den Leib. Ich mag vom Schwein nichts mehr sehen und riechen; es ist die heilloseste Kreatur, die es auf Erden gibt!“
    Er schleuderte alles von sich und fügte hinzu:
    „Möge derjenige, welcher nach uns dieses Weges reitet, ein hartgesottener Sünder sein! Wenn er diese Wurst findet und verspeist, so wird sein Gewissen vor Grauen aufplatzen wie ein Sack, und seine Taten werden hervorbrechen und an das Tageslicht kommen. Denn diese Wurst ist die Offenbarungsspeise aller Geheimnisse des inneren Menschen. Ich muß alle meine Kräfte zusammenfassen, damit du nicht zu schauen bekommst, welches Aussehen die inwendige Seite deines todkranken und schwergeprüften Halef hat.“
    Er war gewohnt, selbst den widerstrebendsten Gegenstand in das blumenreiche Gewand des Orients zu kleiden. Das brachte er sogar hier in diesem schnöden Fall fertig. Dann ritt er wortlos nebenher, und nur als ich ihn neckend nach dem Grund seines Schweigens fragte, antwortete er:
    „Es gibt keine Sprache irgendeines Volkes, deren Wortschatz ausreichend wäre, dir mein Leid und die Zerknirschung meiner Seele und auch meines Körpers zu beschreiben. Darum ist es besser, ich spreche gar nicht. Ich muß geduldig warten, bis die Empörung meines Innern von selbst aufgehört hat.“
    Die Schlucht, welche der Schauplatz dieses Herzeleides gewesen war, hatte ihr Ende erreicht, und vor uns öffnete sich eine schmale und, wie es schien, sehr langgezogene Grasfläche, durch welche ein Wasser floß. Vereinzelte Büsche standen darauf, um welche sich zahlreiche Himbeer- und Brombeer-Stauden zogen. Letztere trugen eine verlockende Fülle von Beeren, über deren Größe man erstaunen konnte. Wäre es nicht bereits so spät am Tage gewesen, so hätten wir absteigen können, um ein leckeres Mahl zu halten.
    „An diesem Wasser liegt Junaks Hütte“, erklärte der Konakdschy. „Wir werden sie in einer Viertelstunde erreichen.“
    Hier konnten wir nebeneinander reiten. Es war Raum genug vorhanden, und wir setzten unsere Pferde in Galopp. Gewohnt, selbst während des schnellsten Rittes auf alles zu achten, behielt ich auch jetzt die Umgebung scharf im Auge. So kam es, daß mir ein Umstand auffiel, welcher mich veranlaßte, mein Pferd anzuhalten. Die andern taten dasselbe.
    „Was hast du gesehen? Was ist's mit diesem Gestrüpp?“ fragte Halef.
    Wir hielten vor einer Stelle, welche so dicht mit den genannten Beersträuchern und kriechenden Stachelranken besetzt war, daß ein Mensch, ohne sich ungewöhnlich anzustrengen, gar nicht hindurch konnte. Dennoch waren Bahnen durch diese Gewirr gebrochen, Bahnen und Gänge, welche sich vielfach kreuzten.
    „Siehst du nicht, daß jemand da drinnen gewesen ist?“ antwortete ich.
    „Ja, ich sehe es. Aber macht dir das Bedenken? Es hat jemand Beeren gesammelt.“
    „Die konnte er hier ringsum viel leichter haben. Kein vernünftiger Mensch arbeitet sich so kreuz und quer durch ein solches Dorngestrüpp, wenn er das, was er sucht, ohne Anstrengung haben kann.“
    „Aber du siehst doch, daß der Betreffende nur Beeren gesucht hat. Sie sind an den Gängen, welche er durchbrach, abgepflückt, so weit ein Arm zu reichen vermag.“
    „Der Betreffende? Hm, ja! Seine Kleidung muß aus einem sehr festen Stoff gefertigt gewesen sein, wahrscheinlich von starkem Leder. Sonst würden wir die Fetzen hängen sehen. Und die Gänge sind breiter, als ein Mensch sie bedarf.“
    „Meinst du etwa, daß es kein Mensch gewesen sei?“
    „Fast möchte ich es denken.

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