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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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nämlich noch eine Brücke, die weitaus solider ist. Ich nehme an, dass auch die Fremden sie mit ihren Planwagen überquert haben. Aber Abdul hat mindestens einen Tag gebraucht, um diese Brücke zu erreichen. Und es wird sie einen weiteren Tag kosten, um an die Stelle zu gelangen, von wo er unsere Spur aufnehmen kann.«
    »Wir haben einen Tag am Fluss vertrödelt«, ergänzte Aruula. »Mit anderen Worten: Sie können theoretisch gleich hinter uns sein. Wenn sie nicht geschlafen haben…«
    Suúna nickte. »Also müssen wir sehr vorsichtig sein.« Sie sah Aruula ernst an. »Ich schlage vor, dass wir einstweilen zusammenbleiben.«
    Aruula legte den Kopf schief. »Zu welchem Zweck?«
    Nun grinste Suúna. »Einerseits bist du eine willkommene Begleitung, die ich ungern missen würde… andererseits finde ich, du bist mir was schuldig.« Sie spitzte die Lippen.
    »Immerhin habe ich dir das Leben gerettet.«
    Aruula nickte. »Das ist wahr. Ich stehe in deiner Schuld.«
    Dann runzelte sie die Stirn. Suúna war ihr sympathisch, keine Frage. Allerdings machte sie den Eindruck, dass es mit ihrer Ehrenhaftigkeit nicht weit her war. Dass sie Aruulas Schuld praktisch einforderte, gehörte sich nicht.
    Auch Suúna selbst schien es unangenehm zu sein, denn sie wechselte schnell das Thema. »Wollen wir ein wenig ruhen?«
    Sie schaute sich um.
    Sie waren ein beträchtliches Stück von dem Weg abgewichen, der zur Bergkuppe hinauf führte. Die Gegend hier war stark bewaldet. Wenn sie sich leise verhielten, konnte man sie nicht ohne weiteres aufspüren. Die Moolees grasten in der Nähe. Sie waren wirklich genügsam. Und solange man sie nicht erschreckte, quäkten sie nicht mal.
    »Einverstanden. Ich übernehme die erste Wache«, sagte Aruula.
    Suúna kroch zwischen ihre Decken. Sechzig Herzschläge später verkündeten flache regelmäßige Atemzüge, dass sie eingeschlafen war.
    Das Feuer war fast erloschen. Aruula spähte in die Nacht.
    Im Wald gackerte ein Vogel. Ein Nager huschte zwischen den Bäumen her. Die Moolees legten sich ins Gras. Am Himmel funkelten Millionen Sterne. Der Mond sandte ein angenehm silbernes Licht über das Land.
    Aruula zog die Beine an und schlang die Arme um ihre Knie. Wie lange war es her, seit sie ihre Lauschkräfte das letzte Mal verwandt hatte, um die Gegend und ihre Bewohner zu erkunden? Es konnte nicht schaden, in Übung zu bleiben.
    Sie schloss die Augen, schlief aber keine Sekunde.
    Ihr Geist tastete hinaus und registrierte die Impulse ängstlicher kleiner Geschöpfe, die mit zitterndem Näschen im Gras hockten und die Menschen und Moolees mit glänzenden Augen betrachteten.
    Aruula spürte auch den grob gestrickten Geist der Moolees, die so gutmütig waren, dass es sie freute, Menschen tragen zu dürfen.
    Ihr Lauschsinn erfasste kreisende Vögel, die wachsam nach Beute Ausschau hielten.
    Da war noch etwas…
    Über ihnen, auf dem Berg, der eigentlich nur ein bewaldeter Hügel war… Kurz vor dem Gipfel erahnte sie ein Netz menschlicher Geister: gedämpfte Trägheit.
    Menschen, die schliefen, betäubt oder nicht Herr ihrer Sinne waren. Eine Kraft überlagerte die Ausstrahlung mit leisem Schmerz. Aruula wollte sie analysieren, doch es gelang ihr nicht. Vermutlich war es die Aura eines Kranken.
    Sie schaute Suúna an, und eine warme Woge schien sie zu überschwemmen: Suúnas Geist strahlte Glücksgefühle aus.
    Vor Aruulas geistigem Auge entstand das Bild eines riesigen glitzernden Edelsteins. Allem Anschein nach war der Geist ihrer neuen Gefährtin ganz und gar auf baldigen Reichtum ausgerichtet.
    Jedem das seine. Aruula lächelte.
    ***
    Ich bin Tuanee.
    In der Nacht, in der man mich in die Ordensburg brachte, war ich nicht bei Sinnen, deswegen sah ich das Meer erst am nächsten Morgen. Der Anblick war überwältigend.
    Ich hatte den Angriff der Monstren als Einzige überlebt.
    Meine Erinnerung war blass. Mein Kopf war voll von huschenden Schatten und großen Vierbeinern mit spitzen Zähnen, die sich knurrend um die Leichen meiner Familie rauften.
    Wir lebten seit Jahrhunderten draußen in der Wüste und kannten keine Furcht. Doch die Veränderung des Klimas tat uns weh und gefiel den Bestien so gut, dass sie sich wie verrückt vermehrten. Sie fraßen alles kahl, fielen in die Ruinen der Jackos ein und wandten sich schließlich auch uns zu, den Wüsten-Anangu.
    Wir hatten der gefräßigen Horde, die an unser Wasserloch wollte, vier Tage lang Zunder gegeben, doch dann brach das Tor in unserer Palisade

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