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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Der Jäger konnte ihn frühestens in fünf oder sechs Tagen erreichen.
    Die Jungen steckten die Köpfe zusammen.
    »Das Tor wird sicher bewacht«, sagte Tsani. »Also gehen wir durch das Mauerloch an der Rückseite rein. Wir pirschen uns auf den Hof und halten die Augen auf. Durch irgendein Fenster können wir bestimmt reingucken…«
    Ofrem und Shaggai schauten sich an. Die Idee war nicht übel. Der Innenhof des Klosters war ein völlig verwildertes Dickicht. Sie kannten dort jeden Quadratmeter… und jede Schlange.
    »Ja, lasst es uns so machen.« Ofrem nickte, klopfte Shaggai auf die Schulter und ging voran. Shaggai und Tsani folgten ihm. Tsanis Bewegungen drückten Stärke und Entschlossenheit aus; Shaggai musste sich zusammennehmen, denn er empfand Angst.
    Die Fremden wirkten so gespenstisch. Ihre Bewegungen wirkten irgendwie katzenhaft. Waren sie etwa gefährlich? Es gab schaurige Legenden über Menschen, die sich mit Katzen gepaart hatten und deren Nachkommen halb Mensch, halb Tier waren. Und dass Katzen nachts aktiv waren, wusste jedes Kind…
    Die Jungen umrundeten das Kloster, bis sie an die Stelle kamen, wo ein kleiner Teil der Wand mürbe geworden und zusammengefallen war. Das durch ein Gestrüpp gut getarnte Loch führte in eines der Klostergebäude. Im letzten Jahr war es Shaggai riesengroß erschienen. Jetzt hatte er plötzlich Zweifel, ob er noch hindurch passte.
    Er schüttelte sich noch einmal. »Wer geht zuerst?«
    »Immer der, der fragt«, kicherte Ofrem leise.
    »O nein…« Shaggai wich zurück.
    »Mach dir nicht ins Hemd, wir losen.« Tsani hatte immer drei Hölzchen bei sich. Zwei waren gleich lang, eins war kürzer. Er holte sie hervor und hielt sie den anderen hin.
    Die Wolke riss wieder auf. Shaggai sah die gebräunten Gesichter und langen blauschwarzen Mähnen seiner Freunde.
    Beide gaben sich sehr lässig, doch die über ihre Lippen huschenden Zungen zeigten, dass sie mindestens so nervös waren wie er.
    Ofrem zog den Kurzen. »Kamshaa-Dung«, murmelte er.
    Shaggai kicherte. »Einer muss der Erste sein.« Er war ungeheuer erleichtert.
    Tsani deutete auf das Loch. »Also los…«
    Ofrem ging mutig voran. Er huschte wie einer der Schatten, die das Gemäuer nun bewohnten, durch die Öffnung.
    Zu Shaggais Überraschung zögerte auch der mutige Tsani.
    Dann nickte er Shaggai zu und machte sich ebenfalls auf den Weg.
    Nun war Shaggai allein. Als er in das stockfinstere Loch schaute, erfasste ihn ein Beben. Seine Knie schlotterten wie verrückt, und seine Zähne schlugen so fest aufeinander, dass er sich schämte.
    So schlimm war es ihm nicht mehr ergangen, seit er sich als Zehnjähriger im Fieber gewälzt hatte.
    Plötzlich kam ihm die Idee überhaupt nicht mehr großartig vor. Was um alles in der Welt hatten sie davon, wenn sie wussten, ob die Fremdlinge schwarz waren oder nicht? Wen interessierte es?
    Und überhaupt: Warum, bei den pferdefüßigen Luziferen, sollte es keine schwarzen Menschen geben? Bei Lichte besehen — davon gab es momentan leider sehr wenig –, war es doch überhaupt keine Sensation, wenn sie ihren Freunden bestätigen konnten, dass Olmar die Wahrheit gesagt hatte…
    Und warum hatte er dann Angst vor diesen Menschen?
    Und wenn sie nun doch halb Mensch und halb Katze waren?
    Aber Shaggai wollte kein Feigling sein. Er war sechzehn.
    Die Mädchen schauten ihn schon an. Er würde seine Freunde nicht im Stich lassen…
    Shaggai schob sich in das Loch hinein. Es ging alles unglaublich glatt: Er tastete sich durch einen Raum, dann nahm er den Weg, den sie als Elfjährige vom Schutt befreit hatten. Er hatte nicht das kleinste Problem, aus dem Gebäude heraus zu finden.
    Als er im Türrahmen stand, beleuchtete der Mond den Innenhof. Es war fast taghell.
    Wo waren seine Freunde? Shaggai schaute nach links und rechts. Wenige Meter vor ihm wucherte der blaugrüne Urwald eines seit Jahrzehnten vor sich hin wuchernden Gartens.
    Es war vielleicht besser, wenn er… Shaggai zog den Dolch aus der Lederscheide an seinem Gürtel.
    Das Kloster war in einem Rechteck gebaut. Das ganze Dorf hätte auf dem Innenhof Platz gefunden. Die Bäume wuchsen in den Himmel. Die Blätter raschelten leise.
    Weshalb war es so still? Shaggai schaute aufgeregt in alle Richtungen. Hinter ihm ragten vier Etagen auf. Säulengänge.
    Da und dort schwarze Fensterhöhlen. Verrammelte Türen und Fenster. Doch nirgendwo ein Mensch.
    Doch… da!
    Shaggai verharrte. Sein Herz schlug schneller. Dort, links, lag eine

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