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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Schatten wirkte lindernd. »Die Gefahr ist vorbei. Du bist außer Gefahr – hoffe ich.«
    Aruula murmelte etwas, um ihren Dank auszudrücken, und richtete sich in eine sitzende Stellung auf. Dabei bemerkte sie, dass ihre Hüfttasche, die sie gegen erlegtes Wild eingetauscht hatte und in der sie ihr weniges Hab und Gut transportierte, offen stand.
    Suúna zuckte die Schultern. »Ich wollte wissen, wer du bist«, sagte sie entschuldigend und hob zwei Bax (Scheckkarten) hoch, die Aruula als Wechselgeld erhalten hatte. Die stabilen bunten Kärtchen waren in manchen Gegenden als Zahlungsmittel begehrter als anderswo Muscheln. »Diese Dinger sind in der Sprache der Britanier beschriftet, da habe ich gedacht, dass du von dort kommst…«
    »Ich habe eine Zeitlang in Britana gelebt«, erwiderte Aruula ausweichend. Jetzt erst schaute sie sich um. Die Brücke war nicht mehr. Sie und Suúna befanden sich auf einer Anhöhe.
    Von hier aus ließen sich beide Seiten des Abgrunds gut überschauen. Suúna hatte sie wohl hier herauf geschleppt.
    »Wo sind die Toten?«, fragte Aruula. Unten, an der ehemaligen Brücke, sah man keine Spur von ihnen.
    »Ich habe das Gesindel in den Abgrund geworfen«, erwiderte Suúna verächtlich. »Sie haben nur die Landschaft verschandelt.«
    Aruula musste lachen. Sofort tat ihr Kopf wieder weh.
    Immerhin konnte sie nun klar genug denken, um ihrer Retterin zu danken und sie eingehend zu studieren. Suúna war sehr ansehnlich. Ihr Blick zeigte eine eigentümliche Mischung aus Abgeklärtheit und Sorglosigkeit, ihre Miene den pfiffigen Ausdruck eines Menschen, mit dem man nicht nur Yakks stehlen konnte, sondern wirklich welche stahl.
    Sie brauchte sich nur die Waffen, die Ausrüstung und das verwegene Lächeln auf Suúnas grün geschminkten Lippen anzuschauen, um zu wissen, dass sie eine Abenteurerin war; ein Haudegen, der sich weder vor Wudan noch vor Orguudoo fürchtete und für die restlichen siebentausend Gottheiten dieses Planeten vermutlich nur ein Grinsen übrig hatte.
    Aruula schaute sie an. Obwohl sie sehr weiblich wirkte, hatte sie auch harte Züge. Sie konnte sie sich gut am Tresen einer Taverne vorstellen – ein Machorkastäbchen zwischen den Zähnen, einen Weinhumpen in der einen und einen Würfelbecher in der anderen Hand.
    Dafür sprach auch der Hautschmuck, der Aruula schaudern machte. Sie selbst hätte sich kein Metall unter die Haut geschoben. Die Wunden konnten sich entzünden; außerdem war es unpraktisch beim Nahkampf. Auf den sich Suúna wohl kaum einließ, wie ihre weit tragenden Waffen vermuten ließen.
    Diese Frau wusste, was sie wollte.
    Aber… wer waren die Männer gewesen, die sie ins Jenseits befördert hatte? Hatte Suúna ihr selbstlos geholfen oder gab es eine Beziehung zwischen ihr und den Banditen?
    »Wer bist du?« Aruula kniff die Augen zusammen, um gegen die Sonne zu erkennen, ob auf der anderen Seite des Abgrundes Tote lagen. Sie glaubte zwei oder drei Körper zu sehen. »Was ist deine Profession?«
    Suúna schmunzelte. »Du kennst ja eigenartige Wörter…«
    Aruula errötete. Sie hatte in den Jahren, in denen sie mit Maddrax zusammen gewesen war, viele Wörter gelernt – auch Ausdrücke für Dinge, die es in ihrer Sprache nicht gab.
    »Beruf« war den wandernden Völkern wesensfremd. Jeder machte alles. Sicher gab es Menschen mit besonderen Fähigkeiten, aber auch die, die Korn zu Mehl mahlen konnten, jagten und bauten Hütten. Nur die Schamanen wurden von allen durchgefüttert…
    »Du kannst gut mit dem Schwert umgehen«, sagte Suúna, ohne auf die Frage geantwortet zu haben. Sie hob Aruulas Klinge auf und warf sie ihr zu. »Ich hab dich beobachtet.«
    Aruula fing das Schwert auf und schob es in die Kralle.
    »Lass uns verschwinden.« Suúna deutete über die Schlucht.
    »Ich habe nicht alle erwischt. Einer ist in den Wald gerannt…«
    Aruula schloss ihre Hüfttasche. »Du hast kein Gepäck?« Sie schaute sich um.
    Suúna grinste. »Doch, sicher. Komm mit.«
    Aruula folgte ihr. Das Buschwerk ging kurz darauf in Wald über. Der Abgrund verlor sich hinter ihnen.
    Nach zwei Minuten Fußmarsch kamen sie auf eine Lichtung. Zwei schwarzweiß gefleckte Reittiere mit langen Schlappohren und vorstehenden Zähnen warteten dort an einen Baum gebunden. Sie waren gesattelt und gezäumt, die Satteltaschen prall gefüllt.
    »Gehören die Tiere dir?«, fragte Aruula.
    »Eins von beiden. Das andere gehört jetzt dir.« Suúna schwang sich in den Sattel eines Vierbeiners.

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