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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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schleppte Suúna mit den beiden anderen Männern in die nahen Büsche. Abduls Säbelspitze blieb derweil auf Aruulas Kehle gerichtet. Sein Blick besagte allerdings, dass er sie nur ungern aufspießen würde.
    »Wer bist du?«, fragte Abdul. »Wem gehörst du?«
    Aruula nannte ihren Namen und fügte hinzu: »Ich gehöre niemandem. Und wenn du jetzt das Gleiche sagst wie dieser dämliche Taniz, frisst du Dreck!«
    Abdul Nadjibullah grinste. »Ah, ich weiß… Taniz war ein Flegel. Er war mein Adoptivsohn. Mein Blutsbruder Hodscha hat ihn gezeugt. Als er bei einem Duell um die Ehre seiner Mutter ums Leben kam, musste ich seine Frau und die vier Söhne übernehmen.« Abdul machte eine abfällige Handbewegung. »Der Familienehre wegen. In Wahrheit konnte ich ihn nie ausstehen.«
    »Du scheinst ein Mensch zu sein, mit dem man auskommen kann«, sagte Aruula. »Wieso sprichst du wie die Landáner?«
    »Ich wurde in Landán geboren«, erwiderte Abdul. »Meine Ahnen stammen aber aus Indien; sie sollen vor sechshundert Jahren aus Kellqu-Tuah nach Britana emigriert sein. Früher stand ich in den Diensten König Rogers.«
    Aruula fiel die Kinnlade herunter. Der vermeintliche Bandit war ein Techno! Aber wie hatte er hier überleben können?
    Bevor sie eine Frage stellen konnte, fuhr Abdul bereits fort:
    »Vor acht Jahren war ich mit einer EWAT-Expedition im alten Afghanistan unterwegs, als wir abstürzten. Meine Kameraden sind dabei alle drauf gegangen. Ich blieb unverletzt und stellte nach einiger Zeit fest, dass ich gegen die Oberwelt-Bakterien immun war.« Abdul schnalzte mit der Zunge. »Seitdem lebe ich bei den Barbaren und heule mit den Wölfen.« Er nahm Aruula näher in Augenschein. »Und du? Wo kommst du her?«
    Aruula wollte gerade mit ihrer Lebensgeschichte beginnen, als nicht fern von ihnen das charakteristische Rasseln eines Rades ertönte, mit dem man Fallgitter hochdreht.
    »Ich glaube, das verschieben wir lieber…«
    In der zunehmenden Helligkeit sah sie mehrere Dutzend Gestalten, die mit Schwertern, Äxten und Armbrüsten aus der Klosterfestung stürzten.
    Abdul ließ seinen Säbel sinken. »Folge mir!«
    Aruula nickte. Mit einem Hechtsprung durchquerten sie die Büsche, hinter denen Hakaan und Abduls Stiefsöhne mit der besinnungslosen Suúna verschwunden waren.
    Es dauerte nicht lange, bis sie zu ihnen aufgeschlossen hatten. Als die drei Männer den Lärm der nahenden Angreifer bemerkten, ließen sie Suúna wie einen Sack zu Boden fallen.
    Aruula ging neben ihr in die Knie.
    »Wir können sie nicht mitnehmen«, sagte Abdul. »Wenn du bei ihr bleibst, kann ich dich nicht schützen.«
    »Schützen?!«, entfuhr es Hakaan. »Bringen wir sie nicht um?«
    »Schweig!«, fuhr ihn das Familienoberhaupt an. »Erst retten wir unser Leben, dann sehen wir weiter!« Er wandte sich an Aruula. »Also…?«
    Die Barbarin schüttelte den Kopf. »Ich bleibe bei ihr.«
    »Dann viel Glück!«
    Abdul befahl seinen Gefährten, in verschiedene Richtungen zu fliehen, dann tauchte er selbst trotz seiner schätzungsweise fünfundvierzig Lebensjahre geschmeidig wie ein Deer in den Wald ein.
    Aruula zerrte Suúna in die Deckung des Unterholzes, breitete den schwarzen Umhang über sie beide und verhielt sich mucksmäuschenstill.
    Sekunden später waren die Frauen heran. Ein Teil von ihnen heftete sich an die Fersen der Nadjibullahs; der Rest schwenkte ab und nahm den Weg zum Dorf hinunter.
    Aruula lauschte ihnen eine Weile nach, dann kniete sie sich mit gespreizten Beinen über Suúnas Brust, nahm den Kopf ihrer Begleiterin in die Hände und schüttelte ihn.
    »Wach auf«, sagte sie so leise wie eindringlich. »Komm zu dir, Suúna!«
    Die Diebin rührte sich nicht.
    Aruula versetzte ihr eine Ohrfeige und schüttelte sie noch einmal. Ohne Ergebnis. Schließlich tastete sie Suúnas Halsschlagader ab. Sie pochte heftig. Das war immerhin ein Zeichen, dass sie noch lebte.
    Aruula atmete auf. Was sollte sie tun? Ins Dorf konnte sie Suúna nicht bringen, denn dort würde in Kürze allerhand Unangenehmes passieren: Natürlich mussten die Bewacher des Edelsteins annehmen, dass die Einbrecherin, die sie ertappt hatten, eine Dorfbewohnerin war.
    Dass man Suúna auf frischer Tat ertappt hatte, stand wohl außer Frage… aber rechtfertigte ein versuchter Diebstahl eine dermaßen heftige Reaktion? Hatte Suúna etwa jemanden umgebracht, um an das Juwel heranzukommen?
    Ich muss es wissen. Wenn sie gemordet hat… Aruula wollte den Gedanken nicht zu Ende

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