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170 - Die Scharen der Nacht

170 - Die Scharen der Nacht

Titel: 170 - Die Scharen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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»Eigentlich waren es zwölf. Sie gehörten den Sklavenhändlern, die hinter dir her waren. Ich hab das Beste für dich herausgesucht und den anderen die Freiheit geschenkt. Kannst du reiten?«
    Aruula nickte. »Ich bin schon auf fremdartigeren Biestern geritten.« Sie prüfte den Sattelgurt, dachte an Pushnik und schwang sich auf den Rücken des Langohrs. »Wie nennt man diese Viecher?«
    »Moolee«, erwiderte Suúna. »Sie stammen alle von einem Pärchen ab, das eine Forschungsexpedition aus dem Osten vor achtzig Wintern hier zurückgelassen hat. Sie sind strohdumm, aber brav. Außerdem versorgen sie sich selbst, sodass man sich nie um sie zu kümmern braucht.«
    »Und wohin reiten wir?« Aruula fiel wieder ein, dass die Hafenstadt Yangonn bisher ihr Ziel gewesen war.
    »Nach Süden…«
    In Ordnung, dachte Aruula, und dann sehen wir weiter.
    ***
    Ich bin Marnee.
    Ich war siebzehn, als die Göttin in mich einfuhr. Es war an einem Abend in der Bucht.
    Ich war zwar jung, aber ich war in einem Fort in der Großen Sandwüste aufgewachsen, in dem die Leute nicht viele Möglichkeiten haben, ihre Freizeit zu gestalten. Deswegen wusste ich, was die Novizinnen im Sternenschein am Strand trieben.
    Ich hatte selbst gerade angefangen, mich zu runden, und an diesem speziellen Abend war ich rollig wie eine Katze.
    In der Bucht war allerhand los: Ein Dutzend Mädchen meiner Altersgruppe hatten sich aus der Ordensburg geschlichen und schmusten mit jungen Fischern herum. Ich machte mir nichts aus Jungs; ich war in die Novizin Yoalee verliebt, deren Augen so blau waren wie die mancher Jackos, die uns hin und wieder begegneten, wenn sie die Ruinen von Karratha verließen, um in unseren Jagdgründen zu wildern.
    Als ich ans Meer kam, wälzten sich alle im von der Sonne noch warmen Sand und überschritten die Grenzen des Erlaubten. Natürlich war ich ebenso neugierig auf die Liebe wie Yoalee, doch als wir gerade unsere Gewänder abgestreift hatten und uns küssten, ertönten hinter uns Schritte, und dann sagte die Stimme der Tapferen Schwester Ronee:
    »Zärtlichkeiten einstellen. Die Ehrwürdige Mutter verlangt die Novizin Marnee zu sprechen.«
    Ich war frustriert, und Yoalee nicht minder, denn wir hatten uns seit Tagen auf diesen Abend gefreut, der uns aufgrund unseres Alters außerdem zustand. Trotzdem wollten wir vor Ronee kein schlechtes Bild abgeben. Wir küssten uns zum Abschied auf die Wangen. Yoalee sang ein trauriges Lied, ich zog mich an und folgte der Schwester in die Ordensburg.
    Auch die Ehrwürdige Mutter hatte blaue Augen. Wie Yoalee war auch sie ein Atavismus: eine Anangu, unter deren Ahnen Jackos gewesen waren, deren Gene dann und wann wieder durchschlugen. Es war aber nicht schlimm, denn wir waren nicht so wie viele Jackos, die über uns die Nase rümpften, weil sie weiß waren. Wir wussten, dass man ihnen ihre Dummheit nicht zum Vorwurf machen konnte.
    »Ich habe deine Mutter gekannt, Marnee«, sagte die Ehrwürdige, als ich neben der Tapferen Schwester Ronee in ihrem kühlen finsteren Büro stand. »Sie war eine wirklich kühne Schwester und hat viele Mädchen aus der Wüste vor dem Untergang bewahrt.« Sie seufzte irgendwie traurig, und ich gewann den Eindruck, dass unsere gesamten Lasten auf ihren schmalen Schultern lagen. »Ich hatte sie sehr gern, und sie mich, weil…« Sie spitzte die Lippen. »… wir einander in der gleichen Inbrunst zugetan waren wie der Kristallenen Göttin.«
    Für mich war die Kristallene Göttin bis dahin ein Mythos.
    Nicht alle Novizinnen glaubten an sie. Ich maßte mir allerdings noch kein Urteil an. Die Tapferen Schwestern hatten mich in ihrem Sinne erzogen, deswegen waren sie mir lieb und wert. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich ihren Glauben fest annehmen oder ihm irgendwann entsagen wollte.
    »Aber lassen wir das.« Die Ehrwürdige nickte Schwester Ronee zu, die daraufhin eine Hand auf meine Schulter legte.
    Die Ehrwürdige deutete auf die Papiere auf ihrem Tisch.
    Ich hatte den Eindruck, dass es Landkarten waren, aber allem Anschein nach hatten sie nicht unbedingt etwas mit mir zu tun.
    »Ich habe Berechnungen angestellt. Heute ist der Tag deiner Prüfung.«
    Ich schluckte. Die Ehrwürdige schaute mich an. Sie war eine kleine Frau mit einem feinen Gesicht und hieß Kylee. Sie hatte eine samtene Stimme, und ihre blauen Augen waren so schön, dass man unweigerlich Liebe für sie empfand.
    Nachdem meine Mutter bei einer Expedition in der Großen Sandwüste einem

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