1703 - Todesbezirk der Abruse
sehen; sie brodelte, warf Blasen. Ein gelbroter Orkan fegte über die Oberfläche, eine kleine Protuberanz stieg wirbelnd auf und verwehte.
Michael Rhodan stieß hörbar die Luft aus.
„Belastung 54 Prozent."
„Die Ayindi schwärmen aus", berichtete Boro Shufman. „Ich kann die Impulse ihrer Taster auffangen." Er grinste wieder. „Es klappt, sie suchen wahrhaftig nach uns."
„Sehr gut", murmelte Mertus Wenig. „Welchen Kurs steuern sie?"
„Fünf Schiffe sind ausgeschwärmt und durchstreifen das System", wußte Shufman zu melden. „Die anderen Kommandantinnen scheinen schon etwas zu ahnen, sie nehmen Kurs auf die Sonne."
Shufmans Stern wies siebzehn Planeten auf, von denen kein einziger - jedenfalls nach den Begriffen von Menschen - Leben tragen konnte. Dort würden die Ayindi mit Sicherheit nichts finden, was für sie von Wert sein konnte.
„Eines haben wir nicht bedacht", bemerkte Boro Shufman plötzlich.
Michael Rhodan spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
„Was?" fragte er.
„Für uns ist das alles hier völlig neu", erklärte Shufman leise. „Aber vielleicht nicht für die Ayindi. Möglich, daß ihre Rechner viele Daten über diese Sonne gespeichert haben. So wie wir über die Sonnen der Milchstraße."
Michael Rhodan entspannte sich wieder.
„Über die Sonnen der Milchstraße wissen wir entsetzlich wenig", meinte er sanft. „Nur der kleinste Teil der Galaxis ist wirklich erforscht.
Du kannst Louis Densson fragen, der kennt sich aus."
„Wenn das so ist ..." Shufmans Stimme klang belegt. „Die Rochenschiffe kommen langsam näher."
Er legte seine Informationen auf einen der größeren Darstellungsschirme. In einer grafischen Projektion waren das Zentralgestirn zu erkennen, die gegenwärtige Position der ODIN und die zehn Rochenschiffe, die mit etwa einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit das System durchkreuzten, auf der Suche nach der ODIN.
Mertus Wenig ließ sein Schiff etwas mehr Fahrt aufnehmen und änderte den Kurs. Vergleichsweise langsam bewegte sich die ODIN innerhalb der Sonnenatmosphäre um die Sonne herum, auf jene Seite, die von den Rochenschiffen nicht unmittelbar einzusehen war.
Natürlich wurden bei dieser Bewegung energetische Impulse freigesetzt, aber die Streustrahlung der Sonne war entschieden stärker. Es war, als versuche man, im Toben eines Orkans ein Flüstern zu vernehmen - jedenfalls hoffte jeder Sachkundige an Bord, daß der Vergleich zutraf.
„Bewahrt Ruhe, Leute!" gab Mertus Wenig über die Bordkommunikation der ODIN durch.
Es war wichtig, die Besatzung aufzumuntern. Jedem an Bord waren die Risiken dieses Manövers bewußt; ein Fehler in der einen oder anderen Richtung konnte zum Verhängnis werden. Die meisten Menschen an Bord waren zwar bereit gewesen, das Abenteuer einer mehrjährigen Reise zur Großen Leere zu wagen, aber keiner hatte Lust, in einem fremden Kontinuum zu sterben, noch dazu 225 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
„Sie verstärken ihre Suche", berichtete Boro Shufman. „Noch haben sie uns nicht gefunden."
Michael Rhodan wurde sich bewußt, daß seine Hände feucht geworden waren. Er lächelte schwach. Fast alle Träger eines Zellaktivators waren von einem gewissen Nimbus umgeben, der um so größer und beeindruckender ausfiel, je länger der Betreffende schon die Unsterblichkeit genoß. Die wenigsten Zeitgenossen konnten sich daher vorstellen, daß ein Aktivatorträger jemals Angst empfinden konnte, obwohl allgemein bekannt war, daß biologische Unsterblichkeit nichts mit Unverwundbarkeit zu tun hatte.
„Sucht nur", murmelte Mertus Wenig. „Wir haben Zeit, viel Zeit."
„Belastung 64 Prozent!"
Die Stimme klang nur ein wenig lauter als üblich, aber der Unterschied war hörbar. Die Anspannung war fast körperlich zu spüren, die Atemluft schien stickig zu sein und mit einem sich langsam verbreitenden Geruch nach Angstschweiß durchsetzt.
„68 Prozent!"
Auf der grafischen Projektion war zu sehen, daß die ausgeschwärmten Rochenschiffe sich wieder dem Hauptpulk angeschlossen hatten. Michael zwinkerte Bully zu.
„Sie machen einen Fehler", sagte er leise. Daß er die Stimme dämpfte, geschah unwillkürlich. Keine Ayindi konnte ihn hören, aber die Reaktion auf die Gefahr stellte sich dennoch ein.
Bully nickte grimmig.
„Sie müßten ausschwärmen", antwortete er leise. „Gut für uns, daß sie es nicht tun!"
„Ich bekomme Funksignale herein ..."
„Auf den Lautsprecher legen!" befahl Mertus
Weitere Kostenlose Bücher