1707 - Das Rätsel der toten Bücher
Rolle. Er musste zugeben, dass er ziemlich durcheinander war, denn noch hatte er die Entscheidung nicht getroffen.
Es vergingen nur wenige Minuten, da bog Johnny in die Straße ein, in der das Haus seiner Eltern stand. Es war ein Weg, den er im Schlaf kannte.
Er erreichte das Grundstück und wunderte sich, dass das Tor der Zufahrt nicht geschlossen war. Dann schaute er zum Haus hin, das leicht erhöht lag, und sah die erleuchteten Fenster. Seine Eltern waren noch nicht zu Bett gegangen. Sie hatten Besuch, denn Johnny sah den Umriss eines Autos vor der Garage. Wenn ihn nicht alles täuschte, parkte dort ein Rover. Sollte das zutreffen, hatten seine Eltern Besuch von ihrem besten Freund John Sinclair.
Er war Johnnys Pate, und beide verstanden sich gut. Ihm kam auch der Gedanke, was John wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass er von zu Hause ausziehen wollte. Begeistert würde er nicht sein, aber er würde Verständnis für ihn aufbringen.
Von einem gemütlichen Abend mit John Sinclair hatten ihm seine Eltern nichts erzählt, und deshalb ging Johnny davon aus, dass der Besuch andere Gründe hatte. Und die waren zumeist nicht im Bereich des Normalen zu finden.
Er bekam zwar kein Herzklopfen, aber ein leichter Druck machte sich schon in seinem Innern breit.
Johnny betrat die Zufahrt, die sich wie eine riesige Zunge durch den mit Schnee bedeckten Vorgarten wand. Allerdings war der Weg freigeschaufelt worden, abgesehen von einigen kleinen Eisflächen, die besonders im Licht der Gartenleuchten gefährlich glitzerten.
Johnny ging weiter, wich den rutschigen Stellen aus – und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, denn wie aus dem Nichts war eine Frau vor ihm aufgetaucht, die mitten auf dem Weg stand und ihn versperrte …
***
In den nächsten Sekunden bewegte sich Johnny Conolly nicht. Er holte nur Atem, blies ihn aus und produzierte kleine Wolken vor seinen Lippen. Das war völlig normal, doch er sah auch das Unnormale, denn bei der Frau vor ihm trat dies nicht auf. Sie stand da und schien die Luft anzuhalten oder musste gar nicht atmen.
Der Gedanke war da, verflüchtigte sich aber schnell wieder, weil Johnny sich auf das Aussehen der Frau konzentrierte, was ihn ziemlich durcheinanderbrachte.
Sie trug in dieser Kälte nur ein schlichtes Kleid, das fast bis zu den Knöcheln reichte. Das Haar hatte sie nach hinten gekämmt und im Nacken zu einem Knoten gebunden.
Genau erkannte Johnny die Frau nicht. Er ging nur davon aus, dass sie ein feines Gesicht mit einer dünnen Haut hatte. Insgesamt gesehen war sie eine Erscheinung, die nicht in diese Szenerie passte.
Johnny schluckte. Mit einer derartigen Begegnung hatte er nicht gerechnet. Er wusste auch nicht, was er sagen sollte. Irgendwie hatte es ihm die Sprache verschlagen, und er musste sich erst räuspern, um überhaupt einen Laut hervorbringen zu können.
»Ähm – wer bist du?«
»Ich heiße Teresa«, erwiderte sie mit einer leisen und sanft klingenden Stimme.
»Aha …«
»Und wer bist du?«
»Ich wohne hier.«
»Wie schön.«
Johnny wunderte sich über die Antwort. Was war daran schön, dass er hier wohnte?
»Zu wem willst du denn?«, fragte er.
»Zu diesem Haus.«
»Ach – zu meinen Eltern?«
»Das kann man so sagen.«
»Was willst du denn von ihnen?«
»Sie haben Besuch.«
Das war keine Antwort auf seine Frage.
»Meinst du John Sinclair?« Johnny dachte dabei an den parkenden Wagen vor der Garage.
»Ihn meine ich. Dann kennst du ihn?«
»Ja, sehr gut sogar.« Johnny war aufgefallen, dass diese Teresa noch immer nicht atmete, und das ließ ihn noch nervöser werden. Er war sich inzwischen sicher, dass diese Frau nicht mit normalen Maßstäben zu messen war. Sie war eine geheimnisvolle und auch unheimliche Erscheinung, auch wenn äußerlich nichts darauf hinwies und sie sogar harmlos aussah.
»Du willst ins Haus?«, wurde Johnny gefragt.
»Klar.«
»Dann kannst du John Sinclair etwas bestellen.«
Johnny überlegte blitzschnell. »Warum ich? Du bist doch gekommen, um ihn zu sehen. Willst du es ihm nicht selbst sagen? Das wäre doch am besten – oder nicht?«
»Nein. Ich habe beschlossen, dass ich dich schicken werde. Geh zu ihm und hole von ihm das, was mir gehört.«
»Ach? Er hat dir etwas gestohlen?«
»Ja.«
»Und was ist es?«
»Zwei Bücher. Sie gehören nicht ihm, sondern mir. So ist das.«
Johnny dachte gar nicht daran. »Nein, nein, wenn das so ist, dann kannst du zu ihm gehen, oder wir beide gehen gemeinsam. Dann
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