1707 - Das Rätsel der toten Bücher
wieder hoch auf das Flachdach des Bungalows.
Dort stand sie noch immer wie eine Eins. Nichts hatte sich verändert. Allerdings musste sie meinen Blick gespürt haben, denn jetzt ging ein Zucken durch ihre Gestalt und sie sprach mich an. Sie musste nicht mal laut reden, denn in der klaren Luft wurde der Schall getragen, sodass ich jedes Wort verstand.
»Du hast etwas, das mir gehört, John Sinclair …«
»Ja, die Bücher.«
»Genau die meine ich. Und die will ich zurückhaben.«
»Warum?«
»Ich brauche sie.«
Ich lachte. »Du willst jemanden finden. Deinen Bräutigam, nicht wahr? Doch ich muss dir sagen, dass du damit Pech hast. Ich habe ihn nicht gefunden. Keinen Hinweis. Er ist in den Wirren der Geschichte verschwunden.«
»Nein, das ist er nicht. Die Bücher sind Überlieferungen des Leidens, welches uns angetan wurde. Hier hat jemand sein Versprechen nicht gehalten und dafür wird er büßen müssen.«
»Ich habe deine Bücher nicht.« Nach dieser Antwort breitete ich meine Arme aus.
»Du lügst!«
»Siehst du sie?«
»Nein. Aber ich weiß, dass du in der Lage bist, sie mir zu geben. Und ich lasse mich nicht davon abbringen. Auch Link Morton hat es nicht geschafft. Du erinnerst dich an ihn?«
»Und ob ich mich an ihn erinnere.«
»Dann frage ich dich jetzt, ob du so enden willst wie er.«
»Nein.« Abermals hielt ich mein Lachen nicht zurück. »Du kannst es aber versuchen, Teresa.«
»Das werde ich auch.«
Ich nickte ihr zu. »Dann komm her. Komm herunter vom Dach und wir tragen es hier unten aus. Und glaube nicht, dass ich Angst vor deinen Helfern hätte. Nein, sie jagen mir keine Furcht ein, und ich denke nicht, dass sie es wagen werden, mich zu attackieren. Sie wissen genau, wen sie vor sich haben. Das sollte eigentlich auch dir bekannt sein. Oder nicht?«
»Ja, ich habe schon bemerkt, dass du etwas Besonderes bist. Du hast etwas an dir, das stimmt schon.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Aber ich denke nicht daran, aufzugeben. Ich will meine Bücher zurück. Gib sie her, dann ist alles in Ordnung.«
»Und wie geht es dann weiter?«
»Darum musst du dich nicht kümmern.«
»Das will ich aber. Es ist meine Pflicht. Ich will nicht, dass du noch mehr Unheil über die Menschen bringst. Ein Toter ist schon zu viel.«
Sie reagierte auf meine letzten Worte auf eine Weise, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Sie drehte sich um, sodass ich auf ihren Rücken schaute.
Dann ging sie weg.
Ja, sie schritt über das flache Dach bis auf die andere Seite. Sie hätte jetzt springen müssen. Ich wartete darauf, aber sie tat es nicht, denn sie war plötzlich verschwunden. Für einen Augenblick kam es mir vor, als würde sie in die Tiefe fallen, aber es war letztendlich nur ein Wegschweben, und dann sah ich nichts mehr von ihr.
Tief atmete ich durch. Dann kümmerte ich mich um meine Umgebung und atmete erleichtert auf, denn die Wesen waren verschwunden. Sie hatten sich gemeinsam mit Teresa zurückgezogen und wollten offenbar nichts mehr von mir wissen.
Bill Conolly rief meinen Namen. Er hatte sein Haus bereits verlassen und stapfte durch den Schnee.
»Bleib ruhig da. Ich komme zu euch.«
Bill blieb auf dem Fleck stehen und schaute sich um.
»War was?«, fragte er mich.
»Wieso?«
Er hob den Kopf an und winkte ab. »Ich kenne dich, John. Du hast zwar auf der Stelle gestanden, dich aber so verhalten, dass es auf uns schon ungewöhnlich wirkte. Als wärst du in deiner Haltung mit etwas beschäftigt.«
»Das trifft zu.«
»Und?«
Ich ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich denke, wir reden am besten im Haus darüber …«
***
Es gibt Menschen, die sich über den Schnee freuen, andere Personen stört er sehr.
Johnny Conolly konnte sich nicht zu einer klaren Meinung durchringen. Auf der einen Seite freute er sich über das verschneite London, auf der anderen allerdings fluchte er darüber, denn der Schnee brachte viel Negatives mit sich, besonders dann, wenn man sich nicht zu Fuß bewegte.
Johnny Conolly war bei Freunden gewesen und hatte sich auf den Rückweg gemacht.
Zwar in einem Fahrzeug, aber nicht auf dem Fahrrad oder seinem Roller. Er war mit dem Bus gefahren.
Durch seinen Kopf schwirrten zahlreiche Gedanken.
Mit einem bestimmten Thema hatte er sich in den letzten Monaten öfter beschäftigt. Er dachte an sein Alter und daran, dass es eigentlich an der Zeit war, auf eigenen Füßen zu stehen. Das hieß: weg von den Eltern, in eine Wohnung ziehen, das
Weitere Kostenlose Bücher