171 - Teutelstango
Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht waren Jeff und Unga in diesem Moment wirklich zweitrangig. Es konnte auch eine Falle der Dämonen für Dorian und Coco sein. Es konnte… Nun, wie dem auch sei, überlegte der Dämonenkiller. Wenn etwas schiefging, würde Coco die Verantwortung auf sich nehmen müssen.
„Was ist nun?" fragte sie. „Bummeln wir noch ein wenig durchs Vergnügungsviertel, oder sehen wir uns noch einmal die Tango-Show an?"
„Die kennen wir inzwischen", erklärte Dorian. „Mit Sicherheit hat Rio noch mehr zu bieten. Und vielleicht gibt unsere Abwesenheit den Vampiren die Möglichkeit, Cuarto umzubringen."
Deutlicher konnte er Coco nicht mehr sagen, daß ihr waghalsiger Plan ihm mißfiel. Er barg zu viele Risiken. Aber die Hexe war fest vom Gelingen überzeugt, und sie würde nicht eher Ruhe geben, bis alles so abgelaufen war, wie sie es sich vorstellte. Dorian kannte sie. Ebensogut hätte er gegen die Niagarafälle anschreien können, anstatt es ihr auszureden. Er wußte, daß sie notfalls auch ohne seine Unterstützung handeln würde. Aber er wollte sie nicht allein lassen. Es gab zu viele Unwägbarkeiten. Vielleicht zog sogar Luguri wieder im Hintergrund die Fäden. Jetzt, da der Komet verschwand und die Auswirkungen seiner magischen Aufladung nachließen, traute sich der stark betroffene Erzdämon wieder aus seinem Versteck hervor.
„Nun gut, schauen wir, was uns Rio zu bieten hat."
Andrea Jimenez fühlte sich ausgelaugt. Sie hatte bei der Polizei mit Händen und Füßen reden müssen und konnte immer noch nicht völlig sicher sein, daß ihr Ricardo entlastet war. Gewiß, es gab keine weiteren Zeugen, und die beiden Aussagen deckten sich, von den winzigen Kleinigkeiten mal abgesehen, die immer auftreten, aber jeder Polizist weiß, daß etwas faul ist, wenn Aussagen hundertprozentig identisch sind. Eine geringe Fehlerquote deutet eher auf Echtheit hin. Aber vorerst wollte man noch ein sehr waches Auge auf diesen Ricardo halten. Man wollte abwarten, ob sich etwaige Entführer Tar6 Munantes meldeten. Dann erst konnte man weitersehen.
Die Geschichte von Zerfall und Tod wurde zwar mit Skepsis aufgefaßt, aber einige höhere Beamte entsannen sich, daß es schon vor einiger Zeit einmal seltsame Vorfälle gegeben hatte. Doch in diesem Fall würde man alles eher auf sich beruhen lassen, als sich mit den mächtigen Munantes anzulegen. Zu schnell konnte eine hoffnungsvolle Karriere durch das Wort eines Wirtschafts- oder Politikbonzen vernichtet werden. Und daran war keiner der Polizeibeamten interessiert.
Man war schließlich sogar gewillt, unter gewissen Umständen diesen Ricardo wieder auf freien Fuß zu setzen - ihn dann allerdings einstweilen weiter zu beobachten, falls er doch Verbindungen zu bestimmten terroristischen und separatistischen Organisationen besaß.
Vorläufig indessen befand sich Ricardo mit seiner Schußverletzung noch im Hospital, und es würde ein paar Wochen dauern, bis er es wieder verlassen konnte. Vorerst stand ein Polizeibeamter vor seinem Krankenzimmer Wache.
Andrea hatte man nur kurz zu ihm gelassen. Der Zustand des Patienten, so erklärte man ihr, lasse einen längeren Besuch nicht zu.
Von stundenlangen Polizeiverhören war dabei nicht die Rede,
dachte Andrea erzürnt.
Aber sie konnte nichts dagegen unternehmen. Sie mußte gehen.
Nach Hause wollte sie noch nicht.
Irgendwie fühlte sie sich an diesem Abend zwar erschöpft, andererseits aber zu aufgewühlt, um Ruhe zu finden. Sie brauchte Abwechslung, sie mußte etwas anderes erleben und abschalten können. Ziellos wanderte sie durch ein paar Straßen, hütete sich vor Gesprächen und finsteren Männern, und plötzlich blieb sie vor einem Plakat stehen. Es zeigte eine Gruppe von Tänzern und Tänzerinnen und die Aufschrift:
Die Tango-Sensation aus Europa - Spaniens berühmteste Tanzgruppe zeigt für Sie ihr Können! Don Felipe Araean…
Tango? dachte Andrea verwundert. Gehört hatte sie von diesem Tanz schon, auch mal versucht, ihn zu lernen, aber der Tanzlehrer war schlecht. Alles, was nicht Samba hieß, wurde grundsätzlich stark vernachlässigt.
Andrea orientierte sich über den Eintrittspreis der Veranstaltung. Sie war nicht eine der sieben reichsten Einwohnerinnen Rios, denn sonst hätte sie mit ihren Eltern kaum in jenem ärmlichen Stadtviertel gewohnt, aber die paar Cruzados würden sie auch nicht in den Ruin treiben. Und warum sollte sie sich diese Tango-Vorführung nicht einmal ansehen? Entspannung
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