171 - Todfeinde
seiner Öllampe strahlte er Honeybutt an. »Dafür zeigt dir die gesamte Besatzung einen ganzen Tag lang das Schiff. Komm nur wieder morgen Nacht, schwarzes Mädchen.«
Miss Hardy nickte, drehte sich um und huschte über den Anlegesteg zurück über den Hafenvorplatz und in das Haus. Viel mehr hatte sie für den ersten Kontakt mit der Besatzung nicht erwartet.
***
Es war so weit. Hackers angebliche Fastenzeit neigte sich dem Ende zu. Zeit den Preis für Mr. Blacks Gesundheit zu zahlen. Ein hoher Preis, fand Mr. Hacker.
Er aß die Reste des getrockneten Fischs auf, von dem er sich schon seit zwei Wochen heimlich ernährte, und verließ dann sein Zimmer, um in den Salon zu gehen. Er wusste, dass die Fürstin dort zu Mittag aß. Jetzt, wo es keinen Weg zurück mehr gab, ergriff Collyn Hacker die Initiative. So schnell wie möglich wollte er die Angelegenheit hinter sich bringen. Die Einsicht, dass es mit einem Mal nicht getan sein würde, verdrängte er so gut es eben ging.
Fürstin Carelia saß mit Arthur Crow beim Mittagessen, als Hacker in den Salon eintrat. Zwei Diener standen rechts und links der Flügeltür. »Mein liebster Hacker, wie schön, dich zu sehen.« Erfreut sprang die Fürstin auf, eilte ihm entgegen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen. »Komm, setz dich zu uns.«
Hacker nahm Platz. »Wie geht es Ihnen, meine Fürstin?«, erkundigte er sich höflich. Dabei bedeutete er den Dienern mit einer auffordernden Geste, dass sie ihm etwas zu essen servieren sollten.
Carelia begann munter drauflos zu plaudern, unterbrach sich aber, als sie sah, wie einer ihrer Diener dem schwarzen Kahlkopf einen Teller mit Fischsuppe füllte. Seit er nach dem siegreichen Todeskampf als freier Mann unter ihrem Dach lebte, hatte er vor ihren Augen noch nie etwas zu sich genommen. »Du… du beendest deine Fastenzeit?« Sie staunte ihn an, und Hacker wurde himmelangst. Der Zustand freudiger Erregung, in den sie plötzlich verfiel, war nicht zu übersehen. Sie schob ihren halbvollen Teller von sich, schluckte und wusste kaum noch wohin mit ihren Händen.
»Wie lebt es sich so am Hofe unserer geliebten Fürstin, General, oder soll ich Präsident sagen, nachdem Victor Hymes so unerwartet beseitigt wurde?«, wandte er sich an Arthur Crow. Seine Stimme war voll beißenden Spotts, und mit Genugtuung sah er den Mundwinkel des Generals zucken und seine Augenlider sich verengen.
Doch Crow ging nicht auf den Vorwurf ein, seinen Vorgänger ermordet zu haben. Und wenn er darüber nachdachte, woher Hacker davon wissen konnte und ob er womöglich mehr wusste, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
»Bestens, Mr. Hacker.« Crow zwang sich zu einem Lächeln. »Es gibt eine Menge zu tun, und wie Sie wissen, bin ich ein Mann der Tat.«
Hacker verstand: eine Drohung, eine ziemlich unverhohlene obendrein. »O ja, das ist mir bekannt…«
So tauschten sie ein paar Nettigkeiten aus. Carelia verstand natürlich nicht, was hinter den glatten Worten steckte, es schien sie auch nicht weiter zu interessieren.
Collyn Hacker machte sich nichts vor: Die Fürstin hatte nur eines im Sinn. Die Angst zu versagen durchzuckte ihn wie Zahnschmerzen. Nur das nicht! Nur nicht bis zum nächsten Wasserkampf in einer der beiden noch leeren Zellen schmachten! Er konzentrierte sich auf die Fischsuppe.
»Wo steckt eigentlich dieser Seefahrer?«, wechselte Crow das Thema.
»Das frage ich mich auch.« Eine Zornesfalte erschien zwischen Carelias Brauenbögen. »Gestern kam er zu spät zum Essen und heute gar nicht! Wie ungezogen!«
»Mir schien, Juanno war gestern nicht mehr ganz nüchtern, als er mit uns aß.«
»Dieser ungehobelte Klotz«, zischte die Fürstin. »Ich werde ihm beibringen, wie man sich in meiner Burg zu benehmen hat!« Ihr Blick fiel auf den schwarzen Kahlkopf, und schon verschwand jeder Anflug von Zorn aus ihrer Miene. Sie lächelte verliebt. Hacker lächelte mehr oder weniger verliebt zurück.
Kaum hatte er den letzten Löffel Suppe zum Mund geführt, stand Carelia auf. »Entschuldige uns, liebster Arthur. Hacker und ich haben etwas Wichtiges zu besprechen, etwas sehr Persönliches, wenn du verstehst.«
»Aber bitte, legt euch keinerlei Zurückhaltung auf.«
Crow verneigte sich in Richtung Fürstin, Hacker bedachte er mit einem kalten Blick.
Carelia hakte sich bei Mr. Hacker unter und führte ihn aus dem Salon. Kaum schloss sich die Flügeltüre hinter ihnen, beschleunigte sie ihre Schritte. »Du
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